VDL-Fachforum 2022: „Versorgungssicherheit in Deutschland – Land- und Ernährungswirtschaft im Spannungsfeld von Klimawandel und Ukraine-Konflikt“

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Unserem Berufsstand kommt bei der Lösung dieser wichtigen Zukunftsfragen eine bedeutende Rolle zu

Gegenwärtig sieht sich Deutschland mit verschiedenen Krisen konfrontiert. Die Lebensmittelversorgung in Deutschland ist in erheblichen Teilen auf Importen aus dem Ausland angewiesen. Seit einigen Monaten zeigt der russische Angriff auf die Ukraine deutlich, wie anfällig diese Versorgung im Fall einer Krise sein kann. Gleichzeitig stellt der Klimawandel die Land- und Ernährungswirtschaft vor tiefgreifende Herausforderungen.

Welche Auswirkungen haben diese Krisen auf das Agribusiness und den Berufsstand? Und welche Weichenstellungen sind heute nötig, um die Versorgungssicherheit in Deutschland auch in Zukunft zu sichern? Diese und weiteren Fragen widmete der VDL-Bundesverband sein diesjähriges Fachforum am 10. Oktober 2022 in Berlin. Namhafte Experten diskutierten dazu im Haus der Land- und Ernährungswirtschaft.

 

Dr. Josef Efken vom Thünen-Institut für Marktanalyse in Braunschweig leitete mit seinem Vortrag in das Thema ein. Die globalen Nahrungsmittelpreise befinden sich aktuell auf einem Allzeit-Hoch. Grund hierfür ist insbesondere der Krieg in der Ukraine. Rund ein Drittel der produktivsten Agrarflächen der Welt liegen in der Ukraine und sind derzeit nur eingeschränkt nutzbar. So ist die Getreideernte in der Ukraine im Vergleich zum Vorjahr um ca. 30 Millionen Tonnen geringer ausgefallen. Gleichzeitig treiben die hohen Energiekosten die Preise in die Höhe.

Darüber hinaus ist seit 2016 ein genereller Rückgang der Getreidevorräte in den wichtigen Exportländern feststellbar. Hier zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels, die zu geringeren Erträgen aufgrund extremen Wetters führen. Verschärft wird diese Situation durch einen Anstieg der Nachfrage in Folge steigender Bevölkerungszahlen in einigen Teilen der Welt, aber auch durch die global wachsende Tierhaltung.

Notwendig ist nun, so Efken, dass Abhängigkeiten abgebaut werden, insbesondere durch den Aufbau einer eigenen Nahrungsmittel-Agrarproduktion sowie der Einrichtung von Sicherheitsnetzen in importabhängigen Ländern. Darüber hinaus ist eine Intensivierung der Produktion wesentlich. Hier kann die Politik wichtige Signale setzen, wie das zeitweise Aussetzen von Flächenstilllegungsverpflichtungen in der EU oder das Aussetzen von Biotreibstoffmandaten.

 

Der „Ernährungssicherstellung und –vorsorge: Staatliche Organisation, Planungen und Maßnahmen“ widmete Vera-Tatjana Gizewski, Referatsleiterin Marktordnungs- und Krisenmaßnahmen, Kritische Infrastrukturen Landwirtschaft von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn ihren Diskussionsbeitrag. Sie berichtet, dass seit 2012 umfassende szenariobasierte Risikoanalysen zu Fragen der Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung unter Krisenbedingungen erfolgt sind. Eingerichtet wurde unter anderem ein Lagezentrum Ernährungssicherstellung bei der BLE, das die täglichen Lagemeldungen der Länder zur Versorgung mit Lebens-, Futter- und Produktionsmitteln auswertet und die Anforderung von Bundesvorräten koordiniert. Zu diesen Vorräten gehören unter anderem die Bundesreserve Getreide, die mehrere hunderttausend Tonnen Getreide verteilt über Lager im gesamten Bundesgebiet umfasst.

Frau Gizewski erläuterte, wie die Vorbereitung auf unterschiedliche Krisensituationen im Rahmen von Stabsübungen durchgespielt und die geplanten Maßnahmen erprobt werden. So wurde 2018 beispielsweise ein Szenario behandelt, das eine Gasmangellage in Süddeutschland vorsah. Erkenntnisse dieser Übung waren unter anderem die Notwendigkeit Unternehmen für Gasversorgungsengpässe zu sensibilisieren und Unternehmen, die relevant für die Versorgung der Bevölkerung sind, in den Kreis der geschützten Kunden des Notfallplans Gas aufzunehmen.

 

Udo Hemmerling, Stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes e.V., wies darauf hin, dass der Landwirtschaft die Möglichkeit erhalten bleiben muss betriebswirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu können. Notwendig dafür ist, dass die Politik wichtige Entscheidungen zeitnah trifft. Das Zögern verunsichert die Landwirte und verhindert so wichtige Investitionen in zukunftsfähige Technologien in ihren Betrieben. Er weist ebenso auf den aktuellen Widerspruch hin, den Gasverbrauch deutlich zu senken und gleichzeig den daraus resultierenden Ausfall der Nahrungsmittelproduktion durch Importe ausgleichen zu wollen.

 

Prof. Dr. Rainer Langosch, Vorsitzender des Fachbereichstages Agrarwirtschaft der deutschen Fachhochschulen, Professor für Unternehmensführung und Beratungsmethodik/ Kommunikation, Hochschule Neubrandenburg, hob die Bedeutung der Agrarwissenschaft für die Lösung der anstehenden Probleme hervor. Nur wissenschaftlich fundierte Angebote können zur Bewältigung der großen Herausforderungen beitragen. „Wir Agrarwissenschaftler bieten diese Lösungen“, so Langosch. Nötig sei aber auch ein größeres Selbstbewusstsein der Wissenschaft im Agrarbereich, schließlich kann die Landwirtschaft viele interessante Lösungsansätze bieten.

 

VDL-Präsident Markus W. Ebel-Waldmann hob hervor, dass es zu den zentralen Aufgaben des Verbandes gehöre, den Berufsstand für die Bewältigung wichtiger Zukunftsaufgaben aufzustellen. Grundlage ist hierfür die umfassende Information der Mitglieder zu diesen Themen. Dies ist uns mit dem heutigen Forum gut gelungen.

Das Forum hat außerdem gezeigt, dass der Berufsstand für die Lösung dieser Krisen essenziell ist. Die aktuelle Situation wird zwar einen Wandel des Arbeitsmarktes für Agrar- und Ernährungswissenschaftler mit sich bringen, „aber dem Berufsstand kommt bei der Lösung dieser wichtigen Zukunftsfragen eine bedeutende Rolle zu“, zeigte sich Ebel-Waldmann überzeugt.

Text: Tobias Dammeier

Die Veranstaltung wird aus Mitteln der Landwirtschaftlichen Rentenbank gefördert.

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