LV-NDS: Zikaden-Alarm! ScienceTalk am 18. November

Fotos: Dr. Christian Lang, Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V.

Sie sind herzlich eingeladen zum nächsten VDL-ScienceTalk, organisiert vom VDL-Landesverband Niedersachsen, im Rahmen der digitalen Veranstaltungsreihe „Green Livestream“ am Dienstag, den 18. November 2025, von 19.00 bis 20.00 Uhr.

Zikaden-Alarm!
Praktiker und Wissenschaftler verbünden sich gegen die Schilf-Glasflügelzikade

Daraus werden keine Chips mehr

Im Jahr 2006 wurde die Schilf-Glasflügelzikade erstmals in Rheinland-Pfalz an Kartoffeln nachgewiesen, seit 2017 kommt es zu einer starken epidemischen Ausbreitung in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, die sich jetzt auf Europa ausweitet. Die Zikade ist Vektor für den bakteriellen SBR-Komplex bei Zuckerrüben und die Bakterielle Kartoffelknollen-Welke, die oft eine gummiartige Konsistenz der Ernteprodukte verursachen und wesentliche Qualitätsfaktoren beeinflussen. Die Folge sind starke Ertragseinbußen und damit Einkommensverluste der betroffenen Landwirte und Verarbeitungsbetriebe. Bei Kartoffeln kann die Verarbeitung sogar unmöglich werden, da die Zuckergehalte in den Knollen ansteigen. In der kurzen Zeitspanne seit dem ersten Nachweis sind die befallenen Zuckerrübenflächen auf über 100.000 ha in 2025 angestiegen. Bei Kartoffeln wird für 2025 von 65.000 ha ausgegangen, das ist ein Viertel der Anbaufläche in Deutschland. Begünstigt vom Klimawandel, breitet sich die Zikade ungebremst nach Norden aus und erweitert gleichzeitig ihren Wirtspflanzenkreis auf Wurzelgemüse und weitere Arten.

Dr. Christian Lang gehörte zu den Ersten, die die Dimension dieser Epidemie als existenzielle Bedrohung der Landwirtschaft erkannten. Als Geschäftsführer des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. wartete er nicht auf Politik und Wissenschaft, sondern wurde selbst aktiv – und brachte sein umfangreiches Netzwerk in Stellung, zu dem auch der VDL gehört. Er organisierte die Finanzierung für erste Forschungsprojekte, alarmierte die Zuckerindustrie, holte die Wissenschaft ins Boot und aktivierte die betroffenen Verbände. Er baute mit der „Forschungsgemeinschaft Zuckerrübe Südwest“ ein praxisnahes, projektfinanziertes Forschungsnetzwerk mit elf beteiligten Institutionen auf. In Projekten wie NIKIZ, KARTOZIK, KUMBIT und ZikaNet werden alle Aspekte des Problems von der Biologie der Erreger und der Zikaden über die Symptomatik und Ausbreitung bis hin zu Fragen der integrierten Bekämpfung der Zikaden koordiniert und bearbeitet.

Helen Pfitzner (li) und Dr. Christian Lang (re)

Im Rahmen des ScienceTalk stellen Dr. Christian Lang und Koordinatorin Helen Pfitzner die „Forschungsgemeinschaft Zuckerrübe Südwest“ und die BETA-SOL-Initiative vor, präsentieren wesentliche Erkenntnisse und geben einen Ausblick auf erfolgversprechende Ansätze der Bekämpfung und Projektarbeit. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen und die Ergebnisse zu diskutieren. Beide Referenten sind Mitglieder im VDL Rheinland-Pfalz / Saar. Die Moderation übernimmt Frau Dr. Tania Runge (VDL Niedersachsen).

Für die Veranstaltung wird „GoToMeeting“ genutzt, eine Anmeldung ist erforderlich. Bitte geben Sie unbedingt auch Ihre E-Mail-Adresse an, damit wir Ihnen den Link zur Veranstaltung zuschicken können. Hier ist der Link zur Anmeldung.

Den Link zur Veranstaltung erhalten Sie zeitnah per Mail zugeschickt. Sie können sich auch direkt anmelden unter
Kontakt@VDL-Niedersachsen.de.

 

Was ist der „Green Livestream – VDL-ScienceTalk“? Forschung wird nicht nur an Universitäten betrieben, sondern auch an internationalen Instituten, als Ressortforschung im Geschäftsbereich von Ministerien und in anderen Trägerschaften. Im Rahmen des ScienceTalk stellen wir VDL-Mitglieder vor, die als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an spannenden Projekten und Programmen arbeiten und uns teilweise auch schon durch ihre Publikationen in Fachzeitschriften begegnet sind. In einer lockeren, moderierten Gesprächssituation berichten sie über ihre Arbeit und die Institution, für die sie tätig sind. Dabei stehen innovative Forschungsansätze ebenso im Fokus wie die Frage, was die Ergebnisse dieser Forschung zu den großen Herausforderungen der Gesellschaft wie Klimawandel und Nachhaltigkeit beitragen können. Ein weiteres Anliegen besteht darin, die Fachsprache der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin auch für Außenstehende nachvollziehbar zu machen und die Wertschätzung wissenschaftlicher Arbeit zu fördern.

Taxt: Ruth Franken

LV-NDS: Dokumentarfilm „Höfe – Familie, Wirtschaft, Wandel“

Foto: Pixabay, Akinema Filmproduktion

Der VDL Landesverband Niedersachsen lädt ein zur Vorführung des Dokumentarfilms:

Höfe – Familie, Wirtschaft, Wandel

am Donnerstag, 20. November 2025, um 18:30 Uhr
in der Jugendherberge Oldenburg (Straßburger Straße 6, 26123 Oldenburg)

Einlass:          18:00 Uhr
Filmstart:       18:30 Uhr

Die nachhaltige Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – vielschichtig, komplex und voller Widersprüche. Im Rahmen des vom Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) durchgeführten Projekts „Agrar-Transformationen“ ist aus diesem Spannungsfeld ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm entstanden.

Die beiden Filmemacher von Akinema, Johannes Kohout und Janek Totaro, haben über viele Monate hinweg vier landwirtschaftliche Höfe in Niedersachsen begleitet – zwei Milchviehbetriebe und zwei Schweinehöfe, ökologisch wie konventionell, groß wie klein. Der Film folgt der alltäglichen Arbeit der Landwirte: Routinen im Stall, Entscheidungen im Büro, Gespräche im Betrieb. Um sie herum versammeln sich Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Beratung – ein Echo dessen, was von außen an sie herantritt. Der von trafo:agrar initiierte Film ist ein dokumentarisches Porträt über landwirtschaftliche Arbeit als Spiegel einer Branche – und über Betriebe, die täglich produzieren, was wir täglich konsumieren.

Im Anschluss besteht die Möglichkeit, sich im Restaurant der Jugendherberge in zwangloser Runde bei einem Getränk über den Film auszutauschen.

Der Eintritt ist frei, aber eine Anmeldung ist erforderlich, um das Ticket zu bekommen. Hier ist der Link zur Ticketplattform.

Das Ticket drucken Sie bitte aus und weisen es am Eingang vor. Wer nicht über Internet verfügt oder keinen Drucker mehr hat, möge sich bitte mit uns in Verbindung setzen (Kontakt@VDL-Niedersachsen.de oder 0171-63 71 600 ). Wir drucken das Ticket für Sie aus bzw. finden eine andere Lösung, dass Sie den Film mit uns sehen können.

Text: Ruth Franken

Klimaresiliente Landwirtschaft – Teil 2

Fotos: Jens Ditter, Dr. Tania Runge, Gustav Wehner, OG Hanfanbauer Werra-Meißner

Auf die Unwägbarkeiten des Klimawandels ist der traditionelle Ackerbau, sind unsere vertrauten Kulturen, nicht ausreichend vorbereitet. Es braucht Kulturen, die mit Hitze und Trockenstress zurecht kommen, aber auch neue Verfahren für Kulturen, auf die wir nicht verzichten wollen. Wir wollten einige Konzepte kennenlernen, die bereits erprobt werden und haben dazu im Rahmen einer Exkursion nach Nordhessen vom 10. bis 12. Juli Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden sowie Landwirte und Unternehmer besucht.

Der Werra-Meißner-Kreis in Nordhessen gehört naturräumlich nicht zu den landwirtschaftlichen Gunstregionen – umso wichtiger ist hier die Stärkung der Klimaresilienz. Auch im konventionellen Landbau werden innovative Strategien entwickelt, zum Beispiel mit dem Anbau von Nutzhanf. Auch hier muss die gesamte Wertschöpfungskette mitgedacht werden. In diesem Teil unseres Exkursionsberichts geht es um den Anbau und die Verwertung von Nutzhanf – und um einen Landwirt, der sich von der widerspenstigen Materie nicht unterkriegen lässt.

Erste Schritte und Erfahrungen

Hanf ist ein wirklich zähes Zeug – das muss auch so sein, denn schon seit über 9.000 Jahren wird die Faser unter anderem für Stricke und Seile genutzt. Das gilt natürlich nur bedingt für Sorten, die unter hermetisch abgeriegelten Bedingungen in Hallen mit Kunstlicht heranwachsen und der Erzeugung von Rauschzuständen dienen. Aber in Nordhessen, zwischen Wanfried und Witzenhausen, geht es nicht um THC, sondern um die nahezu unverwüstliche Faser aus den Stängeln der bis über drei Meter hoch wachsenden Hanfpflanzen und um die vielseitig verwertbaren Hanfnüsschen.

2015 stellte sich für Uwe Roth erstmals ernsthaft die Frage nach einer Alternative für den Anbau von Raps und Zuckerrüben. Wenn gleich zwei Kulturen aus der Fruchtfolge verschwinden, ist Ersatz dringend gefragt, und im fortschreitenden Klimawandel sollte es eine klimaresiliente Alternative sein. Obwohl Hanf seit Jahrzehnten auf der Liste der verbotenen Arten stand und praktische Erfahrungen mit dem Anbau kaum vorlagen, fand der Landwirt aus Wanfried und Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Werra-Meißner diese uralte Kulturpflanze ausgesprochen interessant.

Erste Recherchen führten ihn und seine Kollegen zunächst an Orte und in Kreise, wo es eher um hohe THC-Gehalte ging. Schnell kamen sie auf die richtige Spur und wagten 2017 mit neun Landwirten die ersten Anbauversuche auf 43 ha, 2018 waren es schon 65 ha und 2019 stand der Hanf schon auf 95 ha. Die Erträge an Stroh und Hanfnüssen waren besser als erwartet und die Pflanze erwies sich als unkompliziert im Anbau. Die tief reichenden Wurzeln können Wasser in tieferen Schichten erschließen, wenn der Oberboden bereits trocken ist. Mit 35 kg N ist der Nährstoffbedarf moderat und der Hanf wächst seinen Beikrautkonkurrenten so schnell davon, dass Pflanzenschutz praktisch kein Thema ist. Damit hat er  eine sehr gute Öko- und CO₂-Bilanz. Je nach Standort lassen sich Erträge von vier bis sechs Tonnen Stroh und 550 bis 700 kg Hanfnüsse erzielen.

Ernte: „wenn wir das vorher gewusst hätten . . .“

Die erste Ernte stellte die Landwirte vor ungeahnte Probleme. Der robuste Hanfstängel besteht aus Fasern und Schäben, die für verschiedene Zwecke eingesetzt werden können. Aber die Materie ist ausgesprochen zäh und überforderte die übliche Erntetechnik. Und als das Stroh endlich auf dem Feld lag, schredderte es sieben Rundballen- und eine Großballenpresse, bevor eine Maschine des Herstellers Kuhn mit einigen Zurichtungen und besonderen Einstellungen der Aufgabe Herr wurde.

Damit war zwar das Stroh auf dem Hof, aber die Verarbeitung zu vermarktungsfähigen Produkten forderte den Durchhaltewillen der Landwirte ein weiteres Mal. Viele hätten an dieser Stelle aufgegeben, aber nicht Uwe Roth, der nach der Devise „Jetzt erst recht!“ immer wieder neue Anläufe unternahm, die Technik in den Griff zu bekommen. Die Maschinen, die heute zum Einsatz kommen, sind das Ergebnis von Hartnäckigkeit, Mut, Kreativität – und einer besonderen Förderstrategie.

With a little help from our friends . . .

Schnell wurde klar, dass die Aufgabe mehr Ressourcen erforderte, als die Landwirte selbst bereitstellen konnten. Aber die ersten Ergebnisse hatten auch gezeigt, dass die Vision so vielversprechend war, dass die Suche nach externer Unterstützung sich lohnte. 2017 bewarben sich die Hanferzeuger als „Operationelle Gruppe Hanfanbauer Werra-Meißner“ erfolgreich um eine Förderung der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-AGRI). Die Innovation bestand darin, eine neuartige Frucht anzubauen, sie in der Fruchtfolge des Betriebs zu verankern und dazu die komplette Wertschöpfungskette aufzubauen. Im Dezember 2018 kam schließlich die Zusage für 300.000 Euro in einem Förderzeitraum von 2019 bis 2023.

Mit diesen Mitteln wurde zunächst die Erntetechnik an die speziellen Eigenschaften der Hanfpflanzen angepasst. Heute wird zum Dreschen ein Lohnunternehmer vom Bodensee mit einem speziell modifizierten Deutz-Fahr-Mähdrescher mit Maisgebiss gebucht, der die Nüsse erntet und das Stroh auf Schwad legt. Die schon erwähnte Rundballenpresse erledigt nach der erforderlichen Feldröste im Herbst das Pressen des Strohs im Frühjahr.

Um das Transportvolumen des Hanfstrohs zu reduzieren, entwickelten die Hanfanbauer ein innovatives Verfahren, mit dem der gesamte Hanfstängel zu  hochwertigen, saugfähigen Pellets verarbeitet wird – ohne die Fasern von den Schäben zu trennen. Hierfür werden Fasern und Schäben zunächst gemahlen und dann zu Pellets gepresst. Das Herzstück der Verarbeitung, die für genau diese Aufgabe konfigurierte Maschine, steht auf dem Hof von Uwe Roth.

Wert schöpfen am Markt

Auch die Wertschöpfungskette musste neu aufgesetzt werden. Der Aufbau von Vertriebsnetzwerken ohne Zwischenhandel für Hanfnüsse und Hanfstroh ist nichts für Anfänger, aber das sind die Hanfanbauer inzwischen ohnehin nicht mehr. Die größte Herausforderung für die Wirtschaftlichkeit liegt in dem großen Transportvolumen und den daraus resultierenden hohen Transportkosten des Hanfstrohs. Mit den Pellets steht jetzt ein Produkt von großer Attraktivität und Transportwürdigkeit für die Vermarktung an Tierhalter zur Verfügung. Die Einstreu für Geflügel und Pferde ist vollständig biologisch abbaubar und auch für Pferde mit Allergien geeignet.

Als ausgesprochen marktfähig haben sich auch die Hanfnüsschen erwiesen. Der Hanf, den die OG Hanfanbauer Werra-Meißner erntet, ist kein medizinischer Hanf und damit als Lebensmittel zu vermarkten. So kann die Hanfsaat als Mehl oder Korn in Bäckereien Zutat in Brötchen sein oder gepresst als Öl für Salate oder andere Speisen verwendet werden. Ohne weitere Verarbeitung kann Hanf als Tierfutter in Körnermischungen für Tauben, Hühner oder andere Vögel angeboten werden.

Der Lohn der Mühen

Am Ende zahlte sich die Arbeit der Landwirte – und vor allem das Durchhaltvermögen – aus: Die Hanfanbauer Werra-Meißner ernteten nicht nur die Fördersumme von 300.000 Euro aus dem EIP, auskömmliche Erträge an Hanfstroh und Hanfnüssen, sondern auch internationale Anerkennung. Am 7. Mai 2024 wurde die OG Hanfanbauer Werra-Meißner mit dem „EIP-AGRI Innovation Award“ für „innovative Geschäftsmodelle mit dem Schwerpunkt auf kurzen Lieferketten für Lebensmittel, Marketing und Verbrauchsinitiativen“ ausgezeichnet.

Die Erfolgsfaktoren für diese zukunftsweisende Initiative lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Mit dem Landwirt Uwe Roth hat eine Persönlichkeit mit Überzeugungskraft und Durchhaltevermögen dieses Projekt initiiert und maßgeblich geprägt.
  • Grundlage ist eine Vision mit Umsetzungspotenzial und den nötigen Ressourcen, auch Durststrecken zu überwinden.
  • Mitgemacht haben landwirtschaftliche Mitstreiter mit genug Fläche, die dem Projekt auch durch alle Hindernisse hindurch treu und verbunden blieben.
  • Technisch versierte Mitstreiter meisterten mit Kreativität und Ingenieurwissen die Tücken der Verarbeitung.
  • Im Ergebnis entstanden innovative Produkte, konfiguriert für aufnahmefähige Märkte.
  • Die EIP-Förderung war für den Projekterfolg essenziell.

Als Gäste auf dem Betrieb von Uwe Roth haben wir über die OG Hanfanbauer Werra-Meißner weit über über unser Anliegen der Klimaresilienz hinaus viel Neues erfahren und gesehen. Wir sind beeindruckt von der Innovationskraft dieser Landwirte und sind zuversichtlich, dass sie auch unter veränderten Rahmenbedingungen einen guten Weg in die Zukunft gehen werden.

Text: Jens Ditter, Gustav Wehner, Ruth Franken

VDL-NDS: Klimaresiliente Landwirtschaft – Teil 1

Fotos: Dr. Tania Runge, Gustav Wehner

Auf die Unwägbarkeiten des Klimawandels ist der traditionelle Ackerbau, sind unsere vertrauten Kulturen, nicht ausreichend vorbereitet. Es braucht Nutzpflanzen, die mit Hitze und Trockenstress zurecht kommen, aber auch neue Verfahren für Kulturen, auf die wir nicht verzichten wollen. Wir wollten einige Konzepte kennenlernen, die bereits erprobt werden und haben dazu im Rahmen einer Exkursion nach Nordhessen vom 10. bis 12. Juli Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden sowie Landwirte und Unternehmer besucht.

Der Werra-Meißner-Kreis in Nordhessen gehört naturräumlich nicht zu den landwirtschaftlichen Gunstregionen – umso wichtiger ist hier die Stärkung der Klimaresilienz. Ansätze dazu werden durch den Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen erforscht, z.B. mit Populationssorten beim Weizen. Aber auch im konventionellen Landbau werden innovative Strategien entwickelt, zum Beispiel mit dem Anbau von Nutzhanf. Dabei muss die gesamte Wertschöpfungskette mitgedacht werden. Weitere Anregungen haben wir bei der DEULA Witzenhausen bekommen, deren Gastfreundschaft wir genießen durften. Hier haben wir uns zunächst einen theoretischen Überblick verschafft und viel über diese besondere Region erfahren. Am 11. Juli bekamen wir im Rahmen unserer Rundfahrt zu den Betrieben auch die praktischen Einblicke.

Was wir an Erkenntnissen mitgenommen haben, ist Gegenstand eines dreiteiligen Berichts, dessen erster Teil sich mit dem Potenzial von Populationsweizen befasst. Im zweiten Teil geht es um den Anbau und die Verwertung von Nutzhanf. Der dritte Teil fasst zusammen, was wir auf unserer Exkursion außerdem an Erkenntnissen und Anregungen zum Umgang mit dem Klimawandel gewonnen haben.

Populationsweizen – eine mögliche Antwort auf den Klimawandel

Dr. Odette Weedon erklärt Populationsweizen

Den Auftakt machte Frau Dr. Odette Weedon, die seit zehn Jahren am Fachbereich „Ökologische Agrarwissenschaften“ der Universität Kassel als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Ihr ist es wichtig, dass ihre Forschung einen praktischen Nutzen hat, deshalb bezieht sie bei allen Projekten die gesamte Wertschöpfungskette mit ein und arbeitet mit Verarbeitungsunternehmen und Landwirten zusammen. Von 2020 bis 2023 betreute sie das vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) geförderte Projekt „BAKWERT – Bewertung und Akzeptanz von heterogenen Weizenpopulationen in ökologischen Wertschöpfungsketten“. Fachleute der Universität Kassel, des Kompetenzzentrums Ökolandbau Baden-Württemberg (LTZ) und des Berufsverbands Die Freien Bäcker e.V. erprobtenim Verbund mit zehn Praxisbetrieben drei Jahre lang den Anbau und die Weiterverarbeitung von Populationsweizen. Gemeinsam mit drei Mühlen und 14 Bäckereien konnten an unterschiedlichen Standorten regionale Wertschöpfungsketten aufgebaut werden. Ein wesentliches Ziel dabei war die Steigerung der Klimaresilienz im Weizenanbau bei gleichzeitiger Erhaltung der Verarbeitungsqualität.

Für den praktischen Landwirt manifestiert sich der Klimawandel vor allem in einer zunehmenden Unsicherheit über die Anbaubedingungen des folgenden Jahres zum Zeitpunkt der Anbauentscheidung. Ob ein im Herbst gesäter Weizen auswintert, im Frühjahr unter Wassermangel leidet, zur Blütezeit einen Hitzeschock bekommt oder vor der Ernte durch Starkregen ins Lager geht, lässt sich weniger denn je an Wahrscheinlichkeiten festmachen. Im Gefolge der jeweiligen Witterung kommen unterschiedliche Krankheiten und Schädlinge hinzu. Ob die spezifischen Eigenschaften und Resistenzen einer gewählten Sorte auf die dann gegebenen Umstände optimal oder gar nicht passen, wird immer mehr zum Lotteriespiel für die wirtschaftliche Existenz des Betriebes.

Das Konzept: Populationssorten könnten eine Antwort auf dieses Problem bieten. Im Gegensatz zu einer klassischen Liniensorte mit eng definiertem Züchtungsziel und genetischer Homogenität der Pflanzen zeichnen sich heterogene Weizenpopulationen durch genetische Heterogenität, also Vielfalt in ihren Eigenschaften und im Erscheinungsbild aus. Dabei sind die Eigenschaften so zusammengesetzt, dass eine hohe Varianz gegenüber Umwelteinflüssen besteht, aber die Verarbeitungseigenschaften sehr ähnlich sind. Was auch immer für Witterungseinflüsse wirksam werden, es gibt immer einen Anteil an Pflanzen in der Population, der damit zurecht kommt, so dass es nie eine totale Missernte gibt. Gleichzeitig sorgen die ähnlichen Ertragseigenschaften dafür, dass Abreife und Qualitätsparameter ausreichenden Ertrag und gute Verwertbarkeit liefern.

Wer allerdings – wie wir zunächst – annimmt, dass hier mehrere anerkannte Sorten mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammengeschüttet werden, der liegt falsch. Die Bestandteile einer Mischung aus Liniensorten bleiben in sich genetisch identisch und bieten damit nicht den Vorteil von Populationen. Diese basieren auf der gezielten Durchkreuzung mehrerer (mindestens 5) moderner Hochleistungsorten über mehrere Generationen. Diese Elternsorten zeichnen sich durch hohe Ertragsfähigkeit und gute Qualitätseigenschaften aus. Die Zusammensetzung dieser Eigenschaften hängt vom geplanten Verwendungszweck ab. Durch den mehrjährigen Nachbau durchkreuzen sich die Elternsorten und es findet eine genetische Anpassung der F-Generationen an den Standort und unterschiedliche Witterungsverläufe statt. So ist die Population beim Transfer in die Praxis für die meisten Eventualitäten gerüstet und kann die Erwartungen an Ertrag und Qualität erfüllen. Populationen haben zudem den Vorteil, dass das Brechen von Resistenzen sehr viel länger braucht als bei Liniensorten, die dann schnell ihre Anbauwürdigkeit verlieren. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit des Züchtungsprozesses.

Ein dickes „Aber“: Sorten müssen unterscheidbar, homogen (in ihrem Aussehen einheitlich) und beständig sein. Dann werden sie vom Bundessortenamt anerkannt und dürfen in Verkehr gebracht werden – das ist das Entscheidende am Sortenrecht. Populationen sind mit ihrer genetischen Heterogenität das genaue Gegenteil. Damit ist die Produktion von Populationssaatgut für konventionelle Züchterhäuser nicht attraktiv, weil man den erreichten Zuchtfortschritt nicht über den Sortenschutz absichern kann. Zudem ergibt sich ein Zielkonflikt zwischen dem Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) und dem Ziel der Erhaltung der Biodiversität. Für einen begrenzten Zeitraum hat die EU deshalb mit der Richtlinie 2014/150/EU eine Ausnahmeregelung geschaffen, die den Anbau und die Vermarktung heterogener Populationen zeitlich befristet bis zum 28.02.2021 ermöglicht. Damit wurde auch die Durchführung des Bakwert-Projekts und auch die Förderung durch das BÖLN legitimiert.

Ähren aus EINER Population

Versuch macht klug: Einen ersten praktischen Eindruck von der Forschungsarbeit des Fachbereichs „Ökologische Agrarwissenschaften“ bekamen wir auf dem Versuchsbetrieb Neu Eichenberg des FB Ökologische Agrarwissenschaften, wo der Populationsweizen deutlich höher steht als der „übliche“, kurzgespritzte Linienweizen in der Landschaft rundum. Hier werden verschiedene Weizenpopulationen im Vergleich zu einer E-Weizensorte als Referenz auf unterschiedliche Fragestellungen in praktischen Feldversuchen unter ökologischen Anbaubedingungen getestet. Das Saatgut stammt überwiegend vom Dottenfelder Hof, wo man schon seit langem mit Populationen arbeitet, aber auch eine in England erstellte Population wurde in den Versuchen eingesetzt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Populationen ertraglich unter Produktionsbedingungen des Ökolandbaus – und auch was die Backqualität betraf – sehr vielversprechend waren. Dazu zeigten sie sich hervorragend anpassungsfähig an den Klimawandel und in der Lage Beikräuter zu unterdrücken.

Freut sich auf die Ernte: Landwirt Volker Menthe

Vom Versuch in die Praxis: Mit den Feldversuchen ist es nicht getan, wenn der Praxistransfer gelingen soll. Dazu braucht es Landwirte, die bereits sind, Weizenpopulationen anzubauen, Müller, die das Erntegut aufbereiten und vermahlen und schließlich Bäcker, die daraus Backwaren herstellen. Alle drei Stufen der Wertschöpfungskette waren an dem Bakwert-Projekt beteiligt und wir konnten mit drei Teilnehmern ins Gespräch kommen. Dazu besuchten wir den Landwirt Volker Menthe vom Hofgut Weiden, der von dem Konzept überzeugt ist und uns eines seiner Weizenfelder zeigte. Kurz vor der Ernte sahen wir einen Bestand, ähnlich dem in Neu Eichenberg, aber eben unter den Bedingungen des „normalen“ Ökoanbaus. Herr Menthe war Projektpartner im Bakwert-Projekt, er plant auch weiterhin den Anbau von Populationsweizen und hat positive Rückmeldungen aus der Verarbeitung. Allerdings ist gerade ein Rückgang bei der Anzahl der Öko-Bäckereien zu beobachten, damit könnte der Absatz schwieriger werden.

Vom Korn zum Brot: Mit Manfred Kellner, der auf der thüringischen Seite in Ershausen die Esmühle betreibt, lernten wir einen Müller kennen, der auch nach dem Abschluss des Projekts Populationsweizen von Landwirten aufnimmt, getrennt verarbeitet und lagert. Die idyllisch gelegene Handwerksmühle wurde 1420 erstmals urkundlich erwähnt und ist seit 1879 im Besitz der Familie Kellner. Sie ist eine von wenigen Betrieben, die während der DDR-Zeit privatwirtschaftlich arbeiten durften, und hat auch die Rückkehr in die Marktwirtschaft bewältigt. Herr Kellner führte uns durch die gesamte Anlage und gab uns einen vertieften Einblick in das Müllerhandwerk und die Besonderheiten seines Unternehmens.

Manfred Kellner betreibt eine alte Handwerksmühle

Erst im letzten Jahr wurde in einem mit Familie und Freunden bewältigten Kraftakt die gesamte Mühlentechnik in den alten Gebäuden modernisiert. Die Produktionskapazität liegt für Weizen bei ca. 1 t pro Stunde, bei Roggen sind es ca. 750 kg pro Stunde. Vom Korn bis zum fertigen Mehl durchläuft das Getreide bzw. das Mehl über 120 Siebvorgänge und legt eine Strecke von 200 m Förderwegen zurück. Die Einlagerungskapazität beträgt insgesamt 1000 t Getreide, u.a. in neun Silos à 25 t – genau passend für den Umfang des Geschäfts mit dem Populationsweizen. Die Vermahlung heterogener Weizenpopulationen läuft problemlos, auch in schwierigen Anbaujahren hat sich dieses Getreide bewährt und Mehle mit guter Qualität geliefert. Herr Kellner will auch weiterhin Populationsweizen verarbeiten, konnte uns aber in seinem kleinen Hofladen kein Mehl anbieten, weil die alte Ernte verkauft und die neue noch nicht auf dem Hof ist. Die Kunden der Familie Kellner sind konventionell und ökologisch betriebene Bäckereien, aber auch immer mehr Privatkunden, die sich in dem kleinen Hofladen unkompliziert mit allem versorgen, was Familie Kellner produziert. Neben den typischen Mühlenprodukten gibt es Eier aus der familieneigenen Freilandhaltung, Honig von den eigenen Bienenvölkern und auch Futtermittel.

Von einem am Projekt beteiligten Bäcker konnten wir ein sehr leckeres Brot beziehen, das wir in unsere Exkursionsverpflegung einbauten. Leider wurde hierfür kein Mehl aus Populationsweizen verwendet – es war einfach keins mehr verfügbar. Der Bäcker lobte das Mehl hinsichtlich seiner Verarbeitungseigenschaften sehr und würde sich auch in Zukunft eine gesicherte Bezugsquelle wünschen.

Unser Fazit: Der Anbau von Populationsweizen hat uns als Idee, was die Klimaresilienz betrifft, überzeugt. Das Projekt Bakwert hat gezeigt, dass die Wertschöpfungskette im Ökolandbau realisierbar ist, aber das ist bisher insgesamt ein begrenzter Markt. Zudem war die Zulassung der Populationen über die Richtlinie 2014/150/EU zeitlich begrenzt und ist inzwischen außer Kraft.

Die VDL-Gruppe ist vom Populationsweizen überzeugt

Für eine größere Breitenwirkung müsste das Konzept auch im konventionellen Anbau umgesetzt werden, und dafür wäre die ausreichende Verfügbarkeit von geeignetem Saatgut eine unabdingbare Voraussetzung. Dem steht allerdings aktuell das EU-Saatgutrecht entgegen. In einer Pressemeldung des Bundessortenamtes vom 05.02.2021 zum Auslaufen der Populationenverordnung heißt es: „. . . Die neue EU-Ökoverordnung (Verordnung (EU) 2018/848), die ab 1. Januar 2022 anzuwenden ist, wird zukünftig das Inverkehrbringen von ökologisch heterogenem Material (ÖHM), also Populationen, die unter ökologischer Bewirtschaftung erzeugt wurden, regeln. Der entsprechende Delegierte Rechtsakt befindet sich derzeit noch in der Vorbereitung.“ Die hier festgelegten Regelungen beziehen sich allerdings nur auf den ökologischen Landbau. Das heißt, für eine Anwendung von Populationen in der  konventionellen Landwirtschaft gibt es keine Regelungen und es ist von einem Verbot der Inverkehrbringung auszugehen.

Es braucht mehr Menschen, die von dem Konzept überzeugt sind, es in der Praxis ausprobieren und sich für die Überwindung der Hindernisse stark machen. Oder noch mehr und noch gravierendere Auswirkungen des Klimawandels entfalten eine „normative Kraft des Faktischen“ und bringen Handlungsdruck aus anderen Richtungen . . .

Text: Verena Bosse, Ruth Franken

VDL-NDS: Farbenrausch auf dem Acker – nur was für Profis

Fotos: Dr. Tania Runge, Dominic Runge

Aus der Ferne betrachtet sieht ein Feld mit Wildsaaten schön bunt aus und verleitet zu einer ersten Einschätzung: Schöne Nische, aber nicht relevant für den Agrarsektor. Stimmt überhaupt nicht, haben wir am 13. Juni beim Wildsaatenvermehrer Sascha Hartig in Bienenbüttel erfahren, wo wir die gesamte Produktionskette für Regiosaatgut kennenlernen konnten. Um den Farbenrausch auf dem Acker in Betriebseinkommen zu verwandeln, braucht es Profis, die die ganze Palette der ackerbaulichen Skills in Stellung bringen können. Dazu noch Kompetenzen in Logistik und Management, einen geeigneten Maschinen- und Anlagenbestand – und profunde Kenntnisse in Wildpflanzenbiologie.

Als Sascha Hartig als junger Meister der Landwirtschaft 2008 in dieses Geschäftsmodell einstieg, hatte er unsichere Aussichten auf eine Zukunft als Vollerwerbslandwirt und seine Frau erwartete das erste Kind. Er ließ sich auf das Angebot eines ihm unbekannten Saatzuchtunternehmens ein, in die Vermehrung von Wildpflanzen einzusteigen: Saaten-Zeller GmbH mit Sitz in Bayern, dessen Geschichte eng mit der Entwicklung von regionalem Saatgut verbunden ist. Saaten-Zeller sammelt und vermehrt seit 1985 Saatgut von alten Grünlandbeständen und betreibt heute die Saatgutaufbereitung an drei Standorten in Deutschland: Eichenbühl in Bayern (Hauptsitz), Bienenbüttel in der Lüneburger Heide und Phöben in Brandenburg. Aktuell vermehren 75 Landwirte für das Unternehmen Wildpflanzensaatgut von 142 Arten auf ca. 1.600 ha Fläche, die im Landschaftsbau und zur Aufwertung von landwirtschaftlichen Flächen zum Einsatz kommen.

Betriebsleiter Sascha Hartig (li) und Biologe Dr. Walter Bleeker (re)

Sascha Hartig sagt heute, dass er „keine Ahnung“ hatte, was auf ihn zukommen würde. Doch dank der engen Zusammenarbeit mit dem Biologen Dr. Walter Bleeker klappte der Einstieg. Inzwischen ist auch er Profi bei der Bestimmung von Arten mit den dazugehörenden lateinischen Namen, dem Sammeln von Ausgangsmaterial in der freien Natur und den vielfältigen, teils gärtnerischen Techniken des Anbaus und der Vermehrung. Heute leitet Hartig den Produktionsstandort Bienenbüttel von Saaten Zeller mit umfangreicher Trocknungs- und Reinigungstechnik. Er bestellt selbst 120 ha Fläche mit bis zu 50 verschiedenen Arten von Wildkräutern und Gräsern. Daneben kümmert er sich um das Management der gesamten Vermehrungsregion des UG 1 und teilweise darüber hinaus. Dazu betreut er als Anbauberater 15 Landwirte in der Region, die auf weiteren 150 ha Fläche Wildpflanzen für Saaten Zeller vermehren. Für Hartig ist das mehr als eine Nische, es sichert nachhaltig die Existenz und ein gutes Betriebseinkommen. Wie das genau funktioniert, haben wir vor Ort im Detail erfahren dürfen.

Zur  Einführung gab uns Dr. Bleeker einen Überblick über die komplexe Materie und ein paar Definitionen:

  • Hintergrund: Seit 2020 dürfen gemäß Bundesnaturschutzgesetz in der „freien Natur“ nur noch „heimische Pflanzen“ aus „gebietseigener Herkunft“ ausgesät oder gepflanzt werden. Der Schutz der biologischen Vielfalt umfasst die Vielfalt der Ökosysteme, der Arten, aber auch die genetische Vielfalt innerhalb einzelner Arten.
  • Ursprungsgebiete (UG): Deutschland ist in 22 Ursprungsgebiete unterteilt. In Niedersachsen finden sich große Teile der Ursprungsgebiete 1 (Nordwestdeutsches Tiefland) und 2 (Westdeutsches Tiefland mit Unterem Weserbergland). Das südliche Niedersachsen liegt zu einem kleinen Teil im UG 5 mit dem Nördlichen Harzvorland und im UG 6 (Oberes Weser- und Leinebergland mit Harz).
  • Heimische Pflanzen: „Heimisch“ sind Pflanzen, die von Natur aus in einem bestimmten Gebiet vorkommen. Auch zugewanderte Arten gelten als heimisch, sofern sie seit mindestens 500 Jahren in dem Gebiet nachzuweisen sind.
  • Gebietseigen: Der Begriff bezieht sich auf die genetische Vielfalt innerhalb der einzelnen Art. Viele Arten haben ein großes Verbreitungsgebiet, in dem sich die jeweiligen Standortbedingungen deutlich unterscheiden können. Regionales Saatgut hat seine genetische Herkunft in einem der 22 Ursprungsgebiete und darf nur im selben Gebiet aufgesammelt, vermehrt, produziert und ausgebracht werden. In Bienenbüttel werden nur Pflanzen aus den UG 1 und 2 vermehrt und Saatgut für die Verwendung nur in diesen beiden UG produziert.
  • Wilde Möhre mit Landkärtchen

    Ein Beispiel: Eine Wilde Möhre sieht zwar in der Lüneburger Heide genauso aus wie im Allgäu, aber: Das Allgäu liegt höher über dem Meersspiegel als die Lüneburger Heide, das Klima ist durch die Alpen geprägt, die Tageslängen sind anders und damit unterscheiden sich auch die Zeitpunkte der Blüte und Samenreifung. Das hat über längere Zeiträume zu genetischen Anpassungen geführt, die es zu erhalten gilt.

  • Zertifizierung: RegioZert® ist das Qualitätssicherungssystem für die Produktion und den Vertrieb von Regiosaatgut und gewährleistet eine lückenlose Rückverfolgbarkeit über die gesamte Produktions- und Vertriebskette des Regiosaatguts. Die Produkte mit Wildpflanzen von Saaten Zeller sind nach RegioZert® zertifiziert.

Der erste Schritt ist die Aufsammlung von Wildsamen aus der freien Natur. Geeignete Flächen sind zum Beispiel alte Grünlandstandorte, die extensiv bewirtschaftet werden, sowie andere Standorte, die keiner Bewirtschaftung unterliegen. Für jede Aufsammlung ist die Genehmigung durch die untere Naturschutzbehörde und die Genehmigung durch den betroffenen Landwirt erforderlich. Manche potenziell geeigneten Flächen kommen nicht infrage, zum Beispiel Vogelschutzgebiete während der Brutzeit.

Für jede Art werden Samen an mindestens fünf Standorten entnommen, um das Ursprungsgebiet in seiner ganzen Vielfalt genetisch gut abzubilden. Geeignete Spenderflächen werden durch wissenschaftliche Mitarbeiter von Saaten Zeller identifiziert. Regelmäßiger Kontakt und gutes Einvernehmen mit den Eigentümern der Flächen ist hilfreich, denn diese müssen einige Einschränkungen bei der Nutzung akzeptieren. So kann die Spenderfläche oft erst nach dem optimalen Schnittzeitpunkt gemäht werden, um eine ausreichende Samenausbeute bei der Aufsammlung sicherzustellen. Dann läuft der Biologe mit einer Batterie von Tütchen durch den Bestand und erntet jede Pflanze einzeln – eine mühsame Angelegenheit.

Die erste Pflanzengeneration bei der Saatguterzeugung wird als Einzelpflanzen hochgezogen und von Hand ausgepflanzt – das sind bis zu 100 000 Pflanzen pro Jahr. Die folgenden Generationen werden auf landwirtschaftlichen Flächen ausgesät. Das Ziel ist es, die genetische Vielfalt ungerichtet zu erhalten und keine Selektion in Gang zu setzen. Deshalb können insgesamt nur fünf Generationen aus einer Aufsammlung verwertet werden, danach hat sich die genetische Zusammensetzung durch den Vermehrungsprozess so verändert, dass eine neue Aufsammlung erforderlich wird.

Bei der Vermehrung kommt der Landwirt ins Spiel. Sascha Hartig gab uns einen kompakten Überblick über die Feinheiten der Anbautechnik und die Besonderheiten, die bei der Saatgutvermehrung zur Herausforderung werden.

Standort und Anbautechnik: Seine Flächen haben, wie für die Lüneburger Heide typisch, zwischen 18 und 60 Bodenpunkten und können bewässert werden. Während einzelne Pflanzenarten wie Mohn, Kornblume oder Lichtnelke großflächig vermehrt werden, sind es bei anderen wie Bocksbart und Braunelle kleinere Schläge, zwischen 0,2 und 5 ha groß. Die Saatstärken variieren zwischen 0,7 und 5 kg je ha. Weil die Samen teils so winzig sind, muss das Saatgut mit Zuschlagstoffen auf ein saatfähiges Volumen gebracht werden. Dafür verwendet Hartig in der Regel Sojaschrot. Dann kann es mit dem Striegel gedrillt und ganz flach eingearbeitet werden – oft handelt es sich um Lichtkeimer, die nicht vergraben werden dürfen. Mit dem Andrücken durch Walzen wird der Wasseranschluss gesichert. Gesät wird überwiegend im Frühjahr, erst im folgenden Jahr wird geerntet.

Winzige Samen

Pflegemaßnahmen: Obwohl viele der vermehrten Arten in freier Natur eher unter kargen und nährstoffarmen Bedingungen wachsen, erfolgt die Vermehrung aus betriebswirtschaftlichen Gründen mit einer gewissen Intensität. Nur so lässt sich ein ausreichender Ertrag erzielen. Dazu gehören neben einer eventuellen Bewässerung auch eine Stickstoffdüngung, eine Reihe mechanischer Bearbeitungsgänge und bei Bedarf Pflanzenschutz. Im Jugendstadium wachsen die Unkräuter schneller als die gewünschten Wildpflanzen und neben den Nützlingen finden auch Schadinsekten Gefallen an dem Angebot.

Die Ernte – eine Meisterdisziplin: Hier beweist sich der Profi, denn es gilt, möglichst viel Erntegut von staubfeinen Samen bis zu dicken Bohnen zu bergen, das ungleichmäßig abreift, unterschiedlich leicht ausfällt und dann noch je nach Reifegrad mehr oder weniger feucht und empfindlich ist. Da die reifen Samen durch Wind, Katapultmechanismen oder Aufplatzen der Hüllen schnell verstreut sind, müssen sie vor der Reife geerntet werden. Mit Fingerspitzengefühl gilt es den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen, wenn erst wenige Samen ausgefallen sind und die Blütephase ihren Höhepunkt hinter sich hat.

Für Kornblumen: robuste Technik statt Hightech

Dann muss der beste Erntezeitpunkt bestimmt und mit der gegebenen Witterung in Übereinstimmung gebracht werden. Schließlich die Erntetechnik von der Sichel bis zum Mähdrescher: Nicht das größte und modernste Modell, sondern ältere, robuste Technik mit zuverlässiger Mechanik ist gefragt, denn es gilt, große Mengen feuchter Biomasse ohne Verstopfungen durchzuschleusen. Im Ergebnis macht der Anteil an verwertbaren Samen vielleicht ein Viertel der Tankfüllung aus. Viele Arten laufen zweimal durch den Drescher, bleiben nach dem ersten Durchgang auf Schwad liegen und werden erst beim zweiten Durchgang ernsthaft gedroschen. Für jede Art gibt es spezielle Einstellungen, und im Ergebnis erreichen einige Kilo (Glockenblume) bis zu einer Tonne pro Hektar (Wilde Möhre, Schwingelgräser) den Hof.

Trocknung : Hat es das Erntegut auf den Hof geschafft, muss es mit viel Fingerspitzengefühl getrocknet werden. Bei kleinen Mengen geht dies auch heute noch durch Ausbreiten auf Folien und regelmäßiges Wenden des geernteten Materials, so wie wir es heute noch von Kaffee und Kakao kennen. Bei größeren Mengen wird das Erntegut mit warmer Luft bei maximal 38°C in Holzboxen oder speziellem Hänger getrocknet. Wird es den Samen zu warm, verlieren sie ihre Keimfähigkeit, die je nach Art mit 30 bis 80 % ohnehin nicht sehr ergiebig ist, bleiben sie zu lange feucht, ebenfalls. Häufig wird am späten Nachmittag oder frühen Abend geerntet, also keine Arbeit für Personen, die pünktlich Feierabend machen wollen!

Reinigung: Die letzte Stufe auf dem Hof birgt noch einmal einige Herausforderungen. Das getrocknete, aber alles andere als homogene Material muss gründlich gereinigt und von allen Fremdbestandteilen befreit werden. Dabei läuft das Erntegut über mehrere Reinigungsstufen (Windsichter, Siebe, Trieure, Reiber). Neben Pflanzenteilen werden vor allem Samen entfernt, die hier nicht hingehören, es aber doch bis hier geschafft haben. Die Bilder von dem Kornblumenfeld zeigen, dass man auch Mohnsaaten und Samen der Lichtnelke zu erwarten hat. Nach jeder Art, die die Reinigung durchläuft, muss die gesamte Anlage selbst penibel gesäubert werden, um Verunreinigungen des Saatguts auszuschließen. Bei ca. 50 Arten kann man sich vorstellen, dass dies viel Know-how erfordert. Auf dem Hof werden nicht nur die eigenen Erntemengen, sondern auch die Ernten der anderen 15 Landwirte aus der Region angenommen, getrocknet und gereinigt. Der gesamte Erntezeitraum dauert von Mai bis September, die Reinigung häufig noch deutlich länger.

Das fertige Regiosaatgut: Nach der Reinigung folgt noch die Abfüllung in Papiersäcke, die eine genaue Auszeichnung und Farbcodierung aufweisen. Diese werden dann per LKW in die Zentrale von Zeller Saatgut gebracht, wo die Samenmischungen erstellt und verkauft werden. Dabei wird genau darauf geachtet, dass nur Samen einer Region zusammenkommen. Regiosaatgut wird gerne im Landschaftsbau eingesetzt, als Straßenbegleitgrün und auf Renaturierungsflächen. Auch Landwirte verwenden es, insbesondere im Vertragsnaturschutz. Auch einige Agrarumweltpramme schreiben die Verwendung vor, doch hier ist die Planbarkeit für den Saatgutproduzenten eine wahre Herausforderung, weil die erlaubten Bestandteile der gewünschten Mischung oft nur kurzfristig bekannt gegeben werden. So heißt es immer flexibel sein und ein breites Spektrum an Ausgangsmaterial für die Vermehrung bereithalten. Zum Glück behalten viele Wildpflanzen ihre Keimfähigkeit sehr lange – bei einigen sind es sogar mehrere Jahrzehnte!

Unser Fazit: Hier sind Profis am Werk, die auch die Praktiker unter uns sehr beeindruckt haben! Die Vermehrung von Wildsaaten mag quantitativ eine Nische sein, aber 50 Arten zu managen, von denen jede einzelne eine Diva ist, das ist mit „klassischem Ackerbau“ nur bedingt zu vergleichen. Wenn Sascha Hartig gefragt wird, ob er sich noch einmal mit Rüben, Weizen, sogar Kartoffeln beschäftigen möchte, dann winkt er ab – nicht aus Geringschätzung, sondern weil er die Herausforderung der Artenvielfalt liebt.

Text: Verena Bosse, Jens Ditter, Ruth Franken, Dr. Tania Runge

 

 

 

 

 

 

VDL-NDS: Vorstellung von trafo:agrar und Mitgliederversammlung in Vechta

Foto: René Borresch, trafo:agrar, Vera Schockemöhle

Am 23. Mai fand in den Räumlichkeiten der Universität Vechta die Mitgliederversammlung 2025 statt. Das Rahmenprogramm wurde gestaltet von Projektmanagerin Vera Schockemöhle, die uns den Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) vorstellte. Fünf Hochschulen arbeiten hier in einem Kooperationsverbund mit Akteuren aus der Wirtschaft zusammen, um eine zukunftsfähige Entwicklung der Agrar- und Ernährungswirtschaft im Nordwesten Niedersachsens zu fördern. Vera Schockemöhle gab uns zunächst einen kompakten Überblick über Ziele, Struktur und Projekte dieses Forschungsverbundes.

Der Agrar- und Ernährungssektor ist der zweitwichtigste Wirtschaftssektor in Niedersachsen und steht in einem komplexen Transformationsprozess. Eine sektorübergreifende, transdisziplinäre Zusammenarbeit ist erforderlich, um aus diesem Prozess gestärkt hervorzugehen. Trafo:agrar hat sich auf die Fahnen geschrieben, als wissenschaftliche Koordinierungsstelle mit transdisziplinärer, kooperativer Forschung Beiträge für eine zukunftsfähige, verantwortungsbewusste und vielfältige Agrar- und Ernährungswirtschaft zu leisten. In dem Verbund arbeiten die Universitäten Vechta und Göttingen sowie die Tierärztliche Hochschule Hannover zusammen mit dem Agrar- und Ernährungsforum Nordwest, der IHK Oldenburg, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Wirtschaftlichen Vereinigung Oldenburg – Der Kleine Kreis. Beratende Funktion haben die Niedersächsischen Ministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie für Wissenschaft und Kultur und der WWF.

Unter der Leitung von Frau Dr. Barbara Grabkowsky arbeiten aktuell 14 Projektmitarbeitende an 17 Projekten, die von Risikoampeln für verschiedene Tierseuchen über den Umgang mit der Ressource Wasser bis hin zum digitalen Management von Datenflüssen ein sehr breites Themenspektrum abdecken. Über 100 Symposien mit mehr als 12.000 Teilnehmenden hat trafo:agrar schon durchgeführt, in den Projekten wurden und werden über 64 Mio. Euro finanzielle Mittel eingesetzt. Mittelgeber sind Unternehmen, Kommunen, Landes- und Bundesbehörden sowie EU-Programme wie die Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) und INTERREG, um nur die wichtigsten zu nennen. Trafo:agrar ist angesiedelt an der Universität Vechta. Wer mehr wissen will, findet hier detaillierte Informationen.

Trafo:agrar: Das ganze Netzwerk – der mittlere Kreis umfasst die Verbundmitglieder

Vera Schockemöhle ging dann näher auf ihr Projekt „DivGrass“ ein, das praxisnahe Strategien entwickelt, um biologische Vielfalt auf landwirtschaftlichen Weideflächen zu erhalten und zu fördern.  Im Rahmen des Förderprogramms INTERREG North Sea entwickeln Projektpartner aus fünf Nordsee-Anrainerstaaten innovative Ansätze für ein an den Klimawandel angepasstes Grünlandmanagement. In Deutschland sind zehn Milchviehbetriebe aus Norddeutschland beteiligt, von denen drei in Schleswig-Holstein und zwei in Ostfriesland als Versuchsbetriebe eingebunden sind. Fördermittel in Höhe von knapp vier Mio. Euro fließen in dieses Projekt mit einer Laufzeit von 2023 bis 2027.

Drohnen auf der Weide – da staunen die Kühe

Die Arbeitshypothese lautet, dass artenreiches Grünland klimaresilienter ist als artenarmes Grünland. Allerdings steht damit auch die Frage im Raum, ob mehr Artenvielfalt sich auch in der Milchleistung und letztlich in der Wirtschaftlichkeit niederschlägt. Im Rahmen des Projektes werden folgende Ziele anvisiert:

  • Kompetenzen fördern: Biodiversität bestimmen, Maßnahmen-Set entwickeln, betriebsspezifische Maßnahmen ableiten
  • Betriebe handlungsfähig machen: Aus der Praxis für die Praxis: Natur- und Artenschutz mit Produktionsleistungen in Einklang bringen. Transregionale Netzwerkbildung
  • Blaupausen entwickeln: Entwicklung einer App, um Ergebnisse und Empfehlungen für Landwirte leicht zugänglich zu machen
  • Rechtsrahmen gestalten: Transdisziplinär co-entwickelte, praxis- und wissenschaftlich fundierte Politikempfehlungen auf nationaler und EU-Ebene

Dazu kamen aus dem Teilnehmerkreis viele Fragen und einzelne Aspekte wurden lebhaft diskutiert. Vera Schockemöhle, die selbst zwar von einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt, aber im Studium eher kreative und digitale Kompetenzen erworben hat, steckt auch in den landwirtschaftlichen Aspekten so tief drin, dass sie keine Antwort schuldig blieb. Wir hatten eine sehr gute Diskussion und sind schon gespannt auf die Ergebnisse. Vor allem haben wir jetzt große Erwartungen an eine Intensivierung der Kontakte zum Team von trafo:agrar und werden Ideen zur Zusammenarbeit entwickeln.

Nach dem fachlichen Programm folgte die Mitgliederversammlung, bei der nach der Abwicklung der satzungsgemäßen Formalien die Frage diskutiert wurde, welche Maßnahmen gegen den anhaltenden Mitgliederschwund erfolgversprechend sind. Passend dazu wurden die Teilnehmer gebeten, am Pretest für eine Mitgliederbefragung teilzunehmen, die demnächst online gestellt wird. Den Abschluss dieses sehr informativen Tages begingen wir mit einem Abendessen im nahe gelegenen Gut Welpe, wo wir noch den fachlichen und persönlichen Austausch genießen konnten.

Text: Ruth Franken

VDL-NDS: „Das Auge des Herrn mästet das Vieh“

Foto: Pixabay

In der Schweinehaltung stellt das Kupieren der Schwanzspitze seit Jahrzehnten eine routinemäßige Maßnahme dar, um Schwanzbeißen vorzubeugen. Damit wird den Schweinen jedoch ein wichtiges Kommunikationsmittel genommen. Ein intakter Ringelschwanz ist für das soziale Miteinander der Tiere wichtig und ein guter Indikator für eine tierwohlgerechte Haltung. Auf dem Hof Harleß im Landkreis Uelzen werden seit zehn Jahren erfolgreich Schweine mit Ringelschwanz gemästet. Wir konnten Karl Harleß gewinnen, uns im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 10. April einen Einblick in die tiergerechte Haltung von Schweinen auf seinen Betrieb zu geben.

Wir bekamen einen umfassenden Einblick in die Abläufe seiner konventionellen Schweinehaltung und konnten anhand zahlreicher Charts im Detail all die Stellschrauben nachvollziehen, die den Erfolg des Betriebes ausmachen. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich der Unterschied zu all den Buchten, die man schon im Laufe von Exkursionen und Betriebspraktika während des Studiums gesehen hat: Die ganze Anlage ist aus der Psychologie des Schweines gesehen und gestaltet. Wo kann ich mich verstecken, wenn mir der fiese Kerl mit dem Schlitz im Ohr auf die Pelle rückt? Ist noch was Leckeres im Automaten, wer hat gerade den Ball zum Spielen und wäre jetzt nicht Zeit für ein Schläfchen in der gedimmten Zone? Und am Kontaktgitter zur Nachbarbucht schlendert gerade die kleine Süße vorbei, vielleicht hat sie Lust auf ein Schwätzchen? Solche Befindlichkeiten ausleben zu können, ist wesentlich für das Wohlbefinden und findet Niederschlag in der gut durchdachten und über Jahre entwickelten Gestaltung der Buchten.

Meister der Ringelschwänze: Karl und Gesine Harleß mit Sohn Phillip (v.r.n.l.)

Herr Harleß teilte seine Erfahrungen mit uns und berichtete auch offen über Rückschläge und Probleme im Verlauf der 15 Jahre, die er jetzt dieses Haltungskonzept verfolgt. Es wurde im Verlauf der Präsentation sehr deutlich, wie wichtig die intensive Beobachtung der Tiere und die konsequente Reaktion auf alle Störungen ist. „Das Auge des Herrn“ ist wohl der bei weitem wichtigste Erfolgsfaktor, wenn man Schweine mit Ringelschwanz mästen möchte. Das ist auch auf Stroh kein Selbstläufer und gilt umso mehr für die konventionelle Haltung auf Vollspalten. Herr Harleß blieb in der Diskussion keine Antwort schuldig und natürlich wollten wir auch wissen, was er mit notorischen Störenfrieden macht. Die gibt es in jeder Bucht, aber es sind nur wenige, die sich mit guter Beobachtung und viel Beschäftigung nicht befrieden lassen. Für diese Kandidaten sowie für kranke Tiere gibt es ein gut ausgestattetes Krankenabteil. In der Regel kann man die Beißer als eigene Gruppe führen, sozusagen im Gleichgewicht der Kampfkraft. Nur selten muss einer vor der Zeit den Gang zum Schlachthof antreten.

Im Ergebnis wurde eine alte Weisheit bestätigt: Das Auge des Herrn mästet das Vieh. Ringelschwanz ist möglich, auch in konventioneller Haltung. Aber nur mit durchdachtem Stallbaukonzept und intensiver Tierbeobachtung, und das ist deutlich aufwändiger als das Kupieren der Ringelschwänze.

Text: Ruth Franken

VDL-Bundesmitgliederversammlung 2025 am 15. Mai 2025

Foto: Ebel-Waldmann

Einberufung der VDL-Bundesmitgliederversammlung 2025

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit berufe ich gemäß § 13 (3) der Satzung des VDL Bundesverbandes e.V. in der Fassung vom 26. Oktober 2020 die Bundesmitgliederversammlung 2025 ein.

 

Die Bundesmitgliederversammlung findet statt am

Donnerstag, 15. Mai 2025, 15.30 bis 18.30 Uhr

Hotel Caravelle im Park

Weinkauffstraße 1, 55543 Bad Kreuznach

 

Tagesordnung:

TOP 1: Eröffnung und Begrüßung

TOP 2: a) Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit
TOP 2: b) Feststellung der Teilnahme nach Mitgliedsverbänden und Mitgliedsgruppen

TOP 3: Festlegung der endgültigen Tagesordnung

TOP 4: Protokoll der Mitgliederversammlung vom 16.05.2024

TOP 5: Bericht über die Tätigkeit des Bundesverbandes (Präsidium/Vorstand)

TOP 6: Bericht des Schatzmeisters

TOP 7: Bericht der Kassen- und Rechnungsprüfer

TOP 8: Entlastung des Präsidiums für das Jahr 2024

TOP 9: Entlastung des Vorstandes für das Jahr 2024

TOP 10: Wahl von zwei Rechnungsprüfern/-innen für das Jahr 2026

TOP 11: Haushaltsvoranschlag 2026

TOP 12: Berichte aus den Landesverbänden/Landesgruppen/Mitgliedsverbänden

TOP 13: Berichte aus den Bundessparten

TOP 14: Bundesmitgliederversammlung 2026 – Festlegung von Termin und gastgebendem Landesverband/gastgebender Landesgruppe

TOP 15: Verschiedenes

 

Mit kollegialen Grüßen

Markus W. Ebel-Waldmann
Präsident
VDL-Bundesverband e.V.

VDL-Nds: Grüne Woche 2025: Die Niedersachsen waren wieder in Berlin

Fotos: Ulf Meyer zu Westerhausen

Einerseits war es wie immer – sehr voll, sehr laut und dennoch ist und bleibt der Niedersachsen-Abend ein nicht nur für Niedersachsen unverzichtbares Netzwerktreffen. Andererseits hat hier eine neue Ära begonnen: Mit Hubertus Berges als Vorsitzendem und Vivien Ortmann als Geschäftsführerin hat 2024 ein neues Führungsteam bei der niedersächsischen Marketinggesellschaft die Verantwortung übernommen. Die immer noch ebenso begehrten wie knappen Eintrittskarten wurden erstmals mittels eines digitalen Ticketshops unter die Leute gebracht und auch die Logistik des Eintretens von so vielen Menschen hat erstaunlich gut geklappt.

Zuvor hatten sich die Teilnehmer auf der traditionellen Zukunftswerkstatt im City Cube mit einem ebenso ernsten wie drängenden Problem befasst – wobei die Dringlichkeit unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen leider aus dem Blick geraten ist. Wasser, ob als Niederschlag oder aus natürlichen Quellen wie dem Grundwasser, war in Niedersachsen seit Generationen eine mehr oder weniger verlässlich planbare Ressource. Nach den Wetterextremen der vergangenen Jahre scheint diese Verlässlichkeit jedoch zunehmend in Frage zu stehen. Ob das schon der Klimawandel ist und worauf wir uns künftig einstellen müssen, war Thema der Zukunftswerkstatt 2025.

Sven Plöger erklärt Klimawandel

Als Keynote-Speaker erläuterte TV-Meteorologe Sven Plöger die Zusammenhänge zwischen Wetter, Wasser und Landwirtschaft im fortschreitenden Klimawandel. Der international renommierte Klima-Experte genießt zu Recht den Ruf, komplexe Zusammenhänge ebenso anschaulich wie eindrücklich einem breiten Publikom nahezubringen. Normalerweise hat er dafür zwei bis drei Stunden Zeit, hier musste Plöger die Botschaft auf 30 Minuten komprimieren – was er mit Bravour über die Bühne brachte.

Sehr ansprechend war die leicht verständliche und dem Publikum angemessene Erklärung von meteorologischen Zusammenhängen. Die Veränderungen auf der Welt, die sich zunächst schleichend vollzogen haben, haben jetzt in der Veränderungsgeschwindigkeit durch die gegenseitige Unterstützung der verschiedenen Faktoren spürbar zugenommen. In einigen Bereichen werden wir überrascht sein, wie schnell das gehen kann. Als Agrarwissenschaftler wissen wir, dass viele natürliche Prozesse nicht linear, sondern exponentiell ablaufen. Das ist eine Tatsache, die viele immer noch nicht begriffen haben.

Sven Plöger räumte auch mit der gern herangezogenen Schutzbehauptung auf, dass wir das alles nicht wissen konnten. Er zeigte Ausschnitte aus Fernsehbeiträgen aus den 1970er Jahren, in denen zum Beispiel Hoimar von Ditfurth mit anschaulichen Grafiken vorhersagte, wo wir uns heute befinden würden – fast auf den Punkt genau! Plöger plädierte auch dafür, nicht immer nur das abstrakte Schlagwort „Nachhaltigkeit“ zu bemühen. Worum es wirklich geht, wäre mit dem Begriff „Enkeltauglichkeit“ treffender beschrieben, denn diese seien es, die die Probleme lösen müssen, die wir angezettelt haben. Abschließend forderte er das Auditorium auf, sich bewusst zu machen, dass der Planet Erde uns nicht braucht, er hat vor uns bestanden und wird nach uns bestehen. Es sind wir, die den Planeten Erde in der jetzigen Form brauchen.

Panel 3: Ackerbaustrategien im Klimawandel

In den drei Panels nahmen Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis Bezug auf die mahnenden Worte und diskutierten  über Lösungen, die nicht nur zukunftsweisend, sondern auch umsetzbar sind. Dabei zeigten sie auch anhand von Beispielen auf, wie sie in ihrem jeweiligen unternehmerischen Umfeld mit innovativen Wassermanagement-Konzepten, neuen Produktionsweisen und regionalen Strategien zur Lösung beitragen.

Die Teilnehmer an der Zukunftswerkstatt brachten viel Diskussionsstoff mit zum Niedersachsen-Abend und stürzten sich dort mit Häppchen und kühlen Getränken ins Netzwerken. Wir konnten in der Thüringen-Hälfte wieder ein „VDL-Basislager“ aufschlagen, wo unsere Teilnehmer sich zwischen vielen Gesprächen mal ein paar Minuten hinsetzen konnten.

Der Auftakt in Berlin für Geschäftsführerin Vivien Ortmann und Vorstand Hubertus Berges ist gelungen, Stimmung und Versorgung waren erstklassig und wir freuen uns schon auf den nächsten Niedersachsen-Abend am 21. Januar 2026. Für die Zukunft der niedersächsischen Marketinggesellschaft wünschen wir Frau Ortmann und Herrn Berges alles Gute und viel Erfolg.

Text: Gustav Wehner, Ruth Franken

VDL: Weihnachtsgruß des Präsidenten des VDL Bundesverbandes e.V.

Foto: Ebel-Waldmann

„Der Pessimist klagt über den Wind,

der Optimist hofft, dass er dreht,

der Realist richtet das Segel aus.“

Sir William Ward

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr 2024 neigt sich seinem Ende zu und für den VDL endet ein besonders aktives Verbandsjahr, in dem sich der Bundesverband, die Landesverbände und Landesgruppen und alle Sparten großen Herausforderungen erfolgreich gestellt haben und hohes Engagement in der berufsständischen Arbeit gezeigt haben.

Über alle Aktivitäten wurden Sie ausführlich über den monatlichen VDL-Newsletter sowie unter www.vdl.de informiert.

Ich darf Ihnen an dieser Stelle „DANKE“ sagen für Ihre Unterstützung und das Miteinander in unserem Berufsverband!

Herzlichen Dank auch an unsere hauptamtlichen Mitarbeitenden in Berlin und an die vielen Ehrenamtlichen in unseren Landesverbänden, Landesgruppen und unseren Bundessparten. Sie alle haben auch in diesem herausfordernden Jahr maßgeblich dazu beigetragen, dass unsere berufsständische Arbeit erfolgreich war.

Im Namen von Präsidium und Vorstand des VDL Bundesverbandes wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein besinnliches Weihnachtsfest sowie ein gesundes, friedliches und erfolgreiches Jahr 2025.

Mit den allerbesten Grüßen
VDL Bundesverband e.V.

Markus W. Ebel-Waldmann

Präsident