Biologische Vielfalt dokumentieren, schützen und nutzen: Millionenförderung für hessische Genomforschung
Foto: Sven Traenkner
Im Laborzentrum wird der Bauplan der Natur entschlüsselt: die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt
Land Hessen fördert LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik für weitere drei Jahre – Justus-Liebig-Universität Gießen ist Mitinitiatorin
Die genomischen Grundlagen biologischer Vielfalt zu erforschen – das ist die Mission der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG). Sie untersuchen Pflanzen und Tiere, Pilze und Flechten, um der Entwicklung und den Anpassungen einzelner Gene und Arten sowie auch gesamter Ökosysteme auf die Spur zu kommen. Ihre Erkenntnisse werden in der Grundlagen- und der angewandten Forschung genutzt und sind für verschiedene Belange der Gesellschaft relevant, zum Beispiel für die Entdeckung und Nutzung von Naturstoffen für neue Medikamente oder den Artenschutz in Zeiten sich ändernder Umweltbedingungen. Ab Januar 2022 fördert das Land Hessen das LOEWE-Zentrum TBG für weitere drei Jahre mit insgesamt rund 15,6 Millionen Euro. Hinzu kommt eine Förderung für Baumaßnahmen am Standort Frankfurt in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro. An dem Verbundforschungsvorhaben unter Federführung der Frankfurter Senckenberg Gesellschaft ist die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beteiligt, u.a. mit Forschung im Bereich der Insektenbiotechnologie.
„Wir freuen uns sehr darüber, dass unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Rahmen nun weiterhin die Baupläne des Lebens erforschen – zusammen im Verbund mit starken hessischen Partnereinrichtungen“, sagt JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Die biologische Vielfalt auf allen Ebenen zu verstehen, eröffnet neue Wege, um sie in Zukunft nachhaltig schützen und nutzen zu können.“
„Seit dem Beginn unserer LOEWE-Förderung im Jahr 2018 haben wir rund 400 verschiedene Arten, darunter Bäume, Insekten und Säugetiere und Flechten, zum ersten Mal sequenziert“, sagt LOEWE-TBG-Koordinator und -Sprecher Prof. Dr. Axel Janke (Senckenberg). Die Analyse dieser Genome hat eine Vielzahl neuer Erkenntnisse geliefert, unter anderem zu Anpassungsleistungen an Umweltbedingungen, zur Produktion von Naturstoffen und zu evolutionären Entwicklungen. Parallel haben wir mit unserem eigenen Laborzentrum und einer leistungsstarken Bioinformatik Strukturen aufgebaut, die den Forschenden eine effiziente Erstellung und Auswertung ihrer Genomdaten ermöglicht. Damit sind wir in der zweiten Förderphase bestens aufgestellt, um insbesondere den Anwendungsbezug der Ergebnisse – von Natur- und Artenschutz bis zu medizinischen Anwendungen – herauszuarbeiten.“
So konnten bereits in der ersten Förderphase anhand der Daten von 300 Buchen Abschnitte in den Genomen identifiziert werden, die die Trockenresistenz anzeigen, so dass in Zukunft ein gezielterer Forstbetrieb möglich wird. In den Genomen von 50 Giraffen vier verschiedener Arten aus dem gesamten Verbreitungsgebiet konnte kein Hinweis gefunden werden, dass sie sich miteinander paaren und dadurch hybridisieren. Das eröffnet neue Perspektiven für den Schutz der Tiere, etwa durch die Giraffe Conservation Foundation. Die genomische Analyse von Tiergiften, an der vor allem in Gießen gearbeitet wird, trägt dazu bei, neue Wirkstoffe für Arzneimittel aufzuspüren.
„In den kommenden drei Jahren steht die internationale Vernetzung im Mittelpunkt, sowohl mit großen Genominitiativen wie dem Earth BioGenome Project und dem European Reference Genome Atlas (ERGA), als auch mit Stakeholdern aus dem Anwendungsbereich“, betont der stellvertretende TBG-Koordinator Prof. Dr. Steffen Pauls, der an der Justus-Liebig-Universität Gießen zur Vielfalt von Insekten forscht „Wir möchten dabei die Erkenntnisse, vor allem aber auch das in unseren Projekten gewonnene ‚Know-how‘ nutzen, um die Bedeutung und Möglichkeiten der Biodiversitätsgenomik einem breiteren Kreis an Forschenden, anwendenden Institutionen und der interessierten Öffentlichkeit näher zu bringen. Mit den bewilligten Fördermitteln des Landes Hessen können wir LOEWE-TBG weiter als Zentrum eines lebendigen Netzwerks etablieren.“
Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der bei TBG federführenden Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, begrüßt die weitere Förderung des Zentrums sehr: „Mit der Forschung bei Senckenberg wollen wir einen zukunftsweisenden Beitrag zur Bewältigung der großen Herausforderungen des Anthropozäns leisten – des Zeitalters, in dem der Mensch zum prägenden Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Die äußerst aufschlussreichen genomischen Analysen des LOEWE-Zentrums TBG ermöglichen es dabei, den immensen Wert der biologischen Vielfalt für die Natur und für uns Menschen zu erfassen und zu verstehen. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit herausragenden Partnereinrichtungen. So wurden in den vergangenen drei Jahre hervorragende Forschungs-Synergien gebildet, die wir nun weiter ausbauen können und verstetigen wollen.“
Das gemeinsame Forschungszentrum LOEWE-TBG wurde von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, der Goethe-Universität Frankfurt, der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME initiiert. Weitere Partner sind das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP und das Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPI-TM).
LOEWE-TBG wird seit 2018 von der Hessischen „Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ (LOEWE) finanziert. Mit diesem Forschungsförderungsprogramm setzt das Land Hessen seit 2008 wissenschaftspolitische Impulse und stärkt damit nachhaltig die hessische Forschungslandschaft.
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