„Wir brauchen für einen erfolgreichen Schutz der Natur die Akzeptanz und Unterstützung der gesamten Gesellschaft“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übergeben zwei aktuelle Studien an BMin Steffi Lemke. (v.l.n.r.:) Dr. Yves Zinngrebe (UFZ), Dr. Nike Sommerwerk (MfN), Steffi Lemke (BMUV), Dr. Kirsten Thonicke (LFN), Prof. Dr. Marianne Darbi (HGU) © Thomas Rosenthal

Foto: HS Geisenheim University

Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die Vertreterinnen und Vertreter von NeFo und der DBU waren sich bei einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung in der Vorwoche in Berlin einig: Nationale und globale Naturschutzziele können nur mit interdisziplinären Lösungsansätzen erreicht werden – und durch den Einbezug von Landnutzenden und Gesellschaft. Forschende der Hochschule Geisenheim wollen den Prozess durch die Entwicklung konkreter Maßnahmen und den Transfer in Lehre und Praxis unterstützen.

Auf Einladung des Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung (NeFo), dessen Gesamtprojektleitung die Geisenheimer Professorin für Landschaftsplanung und Eingriffsfolgenbewältigung Dr. Marianne Darbi innehat, und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) diskutierte Bundesumweltministerin Steffi Lemke am Dienstag vergangener Woche, 15. März 2022, mit Wissenschaft, Politik und Verbänden die Neuausrichtung der Biodiversitätspolitik in Deutschland. Im Fokus standen dabei die aktuelle Fortschreibung der nationalen Biodiversitätsstrategie und das Ringen um neue globale Biodiversitätsziele. Lemke betonte im Musem für Naturkunde, dass die Politik die Ziele allein nicht erreichen könne. „Wir brauchen für einen erfolgreichen Schutz der Natur die Akzeptanz und Unterstützung der gesamten Gesellschaft“, erklärte die Ministerin. „Die Art und Weise, wie wir Natur nutzen, mit ihr umgehen und sie auch in Ruhe lassen, muss sich grundlegend ändern.“ Und: „Ein weiteres Aufschieben können wir uns nicht leisten.“

„Zusammenarbeit und Dialog, das sind die zwei Schlagworte des Abends“, resümiert Prof. Dr. Marianne Darbi. Die Bewältigung der Biodiversitätskrise könne nur dank intensiver Zusammenarbeit gelingen – Zusammenarbeit verschiedener Ressorts, wissenschaftlicher Disziplinen, mit der Praxis und Gesellschaft. Schließlich sei die Biodiversitätskrise beispielsweise untrennbar mit der Klimakrise verbunden. „Die Hochschule Geisenheim mit ihren Forschungs- und Studienbereichen entlang der gesamten Wertschöpfungskette hochwertiger Lebensmittel und Getränke bis hin zum Erhalt und der nachhaltigen Entwicklung von Landschaften erarbeitet gemeinsam mit einer Vielzahl von Akteuren regional angepasste Umsetzungsstrategien. Sie ist daher prädestiniert, um einen wichtigen Beitrag bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen zu leisten“, sagt Darbi.

Dr. Yves Zinngrebe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig und Teil des NeFo-Teams zeigte im Rahmen der Abendveranstaltung konkrete Handlungsfelder auf: „Politische Forderungen nach Wohnraum, Ausbau der erneuerbaren Energie, Infrastruktur und Grundversorgung – all das löst einen immensen Flächendruck und damit Druck auf die Biodiversität aus. Diese flächenwirksamen Prozesse werden bislang in individuellen Planungsprozessen meist auf unterschiedlichen politischen Ebenen bewertet.“ Er fordert: „Biodiversität braucht einen höheren legalen Stellenwert in integrierter Planung, das heißt einen klaren Referenzrahmen und mehr Verbindlichkeit.“

Konsens auf der hochkarätig besetzten Veranstaltung war, dass künftige Biodiversitätsziele so konkret formuliert sein müssen, dass Erfolge und Misserfolge messbar werden. Wesentliche Faktoren für einen erfolgreichen Biodiversitätsschutz sind neben der Vergrößerung und des besseren Managements von Schutzgebieten auch das Adressieren indirekter Treiber für den Biodiversitätsverlust – etwa nicht nachhaltiges Wirtschaften und Konsumieren oder umweltschädliche Subventionen – sowie eine Priorisierung von Biodiversität in der Planung.

Darbi bekräftigt: „An der Hochschule Geisenheim bilden wir die zukünftige Generation der dringend benötigten Landschaftsarchitektinnen und -architekten, Planerinnen und Naturschutzmanager aus. Diese benötigen die entsprechenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, um Biodiversitätsschutz integrativ als Teil ihrer Arbeit umsetzen zu können.“ Daher sei es wichtig, diese Forderungen aus der Wissenschaft immer wieder klar an die Politik zu kommunizieren, wie es Darbi mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung seit mehr als zehn Jahren tut.

So wurden im Rahmen der Veranstaltung auch zwei aktuelle Studien an die Bundesministerin übergeben. Eine Studie des UFZ und des Instituts für Biodiversität – Netzwerk (ibn) im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz gibt Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Nationalen Biodiversitätsstrategie. 45 Expertinnen und Experten des Leibniz-Forschungsnetzwerks Biodiversität (LFN) haben daneben „10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung“ zusammengestellt.

Neben der Politik müsse aber auch der Dialog mit der Praxis weiter vorangebracht werden, so Prof. Dr. Marianne Darbi. Die Hochschule Geisenheim wolle dabei eine wichtige Rolle, auch als Vermittlerin zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, einnehmen. „Die Erfahrungen aus vergangenen Praxisprojekten haben gezeigt, dass es oftmals ein Mangel an Kommunikation oder Vorwissen war, der gemeinsame Zielsetzungen erschwert hat. Wir glauben, dass an dieser Schnittstelle ein hohes Potenzial liegt, den Biodiversitätsschutz nachhaltig voranzubringen. Und hier wollen wir ansetzen“, schließt die Wissenschaftlerin.

Die Veranstaltung steht zum Nachsehen und -hören bereit: https://www.youtube.com/watch?v=QB18st6iZ4s&t=17s

Quelle: HS Geisenheim University

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