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Von Pferden und Blindgängern

Eine stattliche Anzahl von VDL-Mitgliedern traf sich am zweiten Maiwochenende am Stutenbrunnen des staatlichen Haupt- und Landgestüts Marbach mit seiner über 500 Jahre alten Geschichte zur Information und Führung durch dieses weltbekannte Pferdezentrum in Baden-Württemberg. Frau Fundel, die Gästeführerin, machte uns mit allen Facetten der Pferdezucht und des Pferdesports bekannt. Umso mehr, als am selben Tag eine internationale Vielseitigkeitsreitsportveranstaltung stattfand, die eindrucksvoll die Bedeutung von Marbach zeigte.

Von dem Mitte des 19. Jahrhunderts erbauten „englischen Stall“ (mit Pferdeboxen) bis hin zur modernen Reithalle und den verschiedenen Gebäuden konnten wir die insgesamt über 900 ha große Anlage in Augenschein nehmen. Natürlich standen dabei die dort gehaltenen Pferderassen im Mittelpunkt. Von den „Altwürttembergern“ über die Warmblüter und Schwarzwälder Füchse bis hin zu den berühmten Vollblutarabern konnte uns unsere Führerin mit ihrem profunden Wissen unterrichten. Was zum Beispiel den Unterschied zwischen einem Fuchs und einem braunen Pferd ausmacht. Oder wie Pferde schlafen. Warum ein Araberfohlen braun geboren wird und erst später zum Schimmel wechselt. Oder wie die Futterrationen für die dort gehaltenen Hengste und Stuten aussehen. Wie man ein Araberpferd erkennt, oder was ein Brandzeichen bedeutet. So war es auch nicht verwunderlich, dass unser kleinstes Familienmitglied (1,5 Jahre) sich die dort vorgefundenen appetitlichen Karotten gut schmecken ließ.Die Stutenherde ist übrigens auch für den Namen „Haupt-„ in der Bezeichnung des Gestüts verantwortlich. Es war insbesondere auch für die Kinder beeindruckend, diese Stutenherden mit ihren Fohlen in freier Bewegung zu sehen und natürlich auch diese an die vielen Besucher gewöhnten Tiere liebevoll zu streicheln.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Marbach immer weiter für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und bietet eine große Palette unterschiedlichster Angebote, die sich alle ums Pferd drehen. So hat erst vor kurzem auch eines unserer Mitglieder dort eine gelungene „Kutschfahrschule“ absolviert. Von der Aufzucht der Fohlen und deren Vermarktung mit zum Teil atemberaubenden Preisen über das Training junger Privatpferde bis hin zur Teilnahme der Marbacher Pferde an großen Turnieren steht hier alles auf dem Marbacher Gestütskonzept. Im nahe gelegenen Gestütsgasthof konnten die Teilnehmer nach diesen vielfältigen Informationen, einschließlich einem Gang durch das neu eingerichtete Informationszentrum, bei einem ausführlichen Mittagessen mit vielen Gesprächsmöglichkeiten wieder neue Kräfte für die zweite Runde sammeln. Denn es ging einige Kilometer weiter zum ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen, der nach Abzug des Militärs einen zentralen Teil des neuen Biosphärenreservats darstellt. Hier erwartete uns Herr Lamparter vom Landwirt-schaftsamt in Münsingen, der mit uns einen längeren aber kurzweiligen Spaziergang bei einem typischen kühlen aber trockenen Albwetter durch das Biosphärenreservat zum im Jahre 1937 aufgelassenen Dorf Gruorn unternahm und uns die Entstehung des Dorfes als auch sein Ende nahe brachte. Heute sind noch das Schulhaus und die teilweise zerstörte aber jetzt wieder renovierte Kirche von diesem früher über 600 Einwohner zählenden Dorf mit seinen vielen Handwerkern und stattlichen Bauernhöfen übrig geblieben. Alles andere fiel den militärischen Übungen, insbesondere dem im Dorf geübten Häuserkampf, zum Opfer. Rund 60 dort geborene Gruorner sollen heute noch leben. Und noch heute treffen sich zu Pfingsten die Nachkommen der Gruorner, die in der näheren und weiteren Umgebung leben, dort zu einem Wiedersehen.

Trotz seiner Höhenlage auf der „rauen Alb“ von fast 800 m war Gruorn neben seinen Grünlandflächen eine Gemeinde mit großen und fruchtbaren Äckern (bis zu 80 Bodenpunkten) und einem erstaunlich groß angelegten Streuobstbau. Hintergrund war eine außergewöhnlich gute Wasserversorgung auf der sonst sommertrockenen Alb durch sperrende Basaltschichten sowie eine in den Tallagen vorhandene sehr tiefgründige Humusschicht.

Das heutige UNESCO-Biosphärenreservat umfasst viele Gemeinden und Städte, vom Rand der Schwäbischen Alb bis in ihr Zentrum und hat einen 40 km großen Durchmesser. Dabei ist der ehemalige Truppenübungsplatz Münsingen mit seinen 6.700 ha das größte zusammenhängende Schutzgebiet darin mit einer unvergleichlichen Flora und Fauna, mit besonders schutzwürdigen Hangbuchen-wäldern und Kalkmagerrasen mit deren großen Insektenvorkommen. Nicht zu vergessen aber auch die nahezu 20.000 Schafe die dort weiden. Sie sind durch ihr geringes Gewicht von den dort noch vorhandenen zahlreichen im Gelände liegenden Blindgängern nicht gefährdet. Die menschlichen Besucher, sei es per pedes oder mit dem Fahrrad, sind jedoch strikt an die ausgewiesenen Wege im ehemaligen Truppenübungsplatz gebunden. So konnten auch wir zum Schluss wieder auf sicherem Weg dieses eindruckvolle und in einem satten Frühjahrsgrün gehaltene Biosphärenreservat mit schönen Eindrücken verlassen.
Ein schöner Zufall war es auch, dass einen Tag später eine umfassende Dokumentation über den ehemaligen Truppenübungsplatz im Biosphärenreservat im Fernsehen zu sehen war.

Hermann Wiest

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