VDL-NDS: Exkursion: „Moor muss nass“ – was macht das mit der Landwirtschaft?
Fotos: Andrea Borsat, Richard Didam
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden, bis 2030 ist als „Etappenziel“ eine Treibhausgasminderung von 65 % aufgerufen. Die Landwirtschaft soll mit einer Einsparung von 56 Millionen Tonnen CO2 -Äquivalenten einen substanziellen Beitrag leisten. Vor allem die CO2-Emissionen aus entwässerten Moorböden sind im Visier der Klimaschützer – und von solchen Flächen gibt es sehr viele in Deutschland. Davon liegen wiederum zwei Drittel in Niedersachsen.
Die Maximalforderung lautet: „Moor muss nass und zwar sofort.“ Was bedeutet das für die in Moorgebieten wirtschaftenden Landwirte und für den ländlichen Raum insgesamt? Im Rahmen einer Exkursion in die Wesermarsch und ins Teufelsmoor am 27. September 2024 wollten die Teilnehmer diese Frage mit betroffenen Landwirten und Fachleuten aus der Region diskutieren.
Im Grünlandzentrum laufen alle Fäden zusammen
Zunächst trafen wir uns beim Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e. V. (GLZ) in Ovelgönne, wo wir eine umfassende Einführung in die Komplexität und so manche Feinheiten der Thematik bekamen. Der Geschäftsführer, Dr. Arno Krause, stellte zunächst das GLZ selbst vor, das Konzepte für eine nachhaltige Landwirtschaft auf Grünland erarbeitet und im Schwerpunkt Projekte zu Moor- und Klimaschutz realisiert. Derzeit werden gut 80 Prozent der Moore in Niedersachsen landwirtschaftlich genutzt, der größte Teil davon dient vor allem der Rinderhaltung. Die Grünlandstandorte der 14 moorreichen Küsten-Landkreise sind eine Hochburg der deutschen Milcherzeugung. Das Grünlandzentrum hat berechnet, dass eine vollständig Vernässung aller Moore in diesen Landkreisen einen Wertschöpfungsverlust von einer Milliarde Euro pro Jahr bedeuten würde. Allein durch den Wegfall der Milchviehhaltung könnten 30.000 bis 54.000 Arbeitsplätze verlorengehen. Das ist vergleichbar mit den volkswirtschaftlichen Kosten des Kohleausstiegs.
Doch das GLZ möchte zeigen, dass Wertschöpfung und Milchviehhaltung auf den Moorstandorten erhalten sowie gleichzeitig die THG-Emissionen reduziert werden können. Irgendwo zwischen der Maximalforderung von 100 % und einem „weiter so“ von Null % muss es einen für beide Ziele gangbaren Pfad geben, denn die Aufgabe der Landwirtschaft in dieser Region ist für alle Beteiligten unvorstellbar. Zusammen mit der Molkerei Ammerland hat das GLZ 2024 das Projekt „GreenMoor“ ins Leben gerufen, bei dem Moorflächen durch moderate Anhebung der Wasserstände teilvernässt werden.
Das Projekt „GreenMoor“
Mit dem Projektleiter Heiko Gerken besuchten wir den Milcherzeuger Dirk Hanken im Ipweger Moor (Elsfleth), der 7,5 Hektar seiner Flächen für „GreenMoor“ zur Verfügung stellt. Der Betrieb bewirtschaftet 176 Hektar, davon knapp 163 Hektar Grünland auf Moorböden, mit 24-h-Weidehaltung für die 440 Rinder (220 Milchkühe und Nachzucht). Etwa 4,5 Hektar der Versuchsfläche werden vernässt, die restlichen konventionell entwässerten drei Hektar dienen als Referenzfläche. Auf der Versuchsfläche zeigte Dirk Hanken, wie die THG-Emissionen von Lachgas, Methan und CO₂ mit Hilfe von mobilen Hauben und zwei Analysern gemessen werden (Foto). An insgesamt 52 Messpunkten und 13 verschiedenen Varianten mit Beweidungs-, Schnittnutzung sowie unterschiedlichen Düngeintensitäten wird erfasst, wie sich die THG-Emissionen unter den angestauten Wasserständen verhalten. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Universität Greifswald, die alle Daten prüft und auswertet. Ziel ist es, nach vier Jahren Projektlaufzeit ein Wasser- und Grünlandmanagement definieren zu können, mit dem THG-Emissionen gesenkt und die Milchwirtschaft erhalten werden kann.
Im Teufelsmoor regiert der Naturschutz
Im Teufelsmoor sind sie schon einige Stufen weiter, wie wir nach einer Weserquerung per Fähre auf dem Betrieb von Hans Lütjen-Wellner erfuhren. Der Landwirt bewirtschaftet knapp 500 ha Moorland, davon 95 % Naturschutzflächen, und betreibt Mutterkuhhaltung mit ca. 400 Tieren. Neben dem Landwirt waren auch Frank Havemeyer, stellvertretender Geschäftsführer des Landvolks Osterholz und Dieter Helmke, Vertreter des Arbeitskreises Aufwuchsverwertung, vor Ort und gaben uns einen Überblick über die jüngere Geschichte und die aktuelle Situation.
2017/18 erhielten die Landwirte in der Region eine Sammelverordnung, durch die das Teufelsmoor unter Schutz gestellt wurde. Auf einmal gab es keine vernünftige Futtergrundlage mehr, Flächen für die Gülle fehlten, der Viehbesatz musste reduziert werden. Somit wurden besonders im Kerngebiet des Teufelsmoores die Betriebe mehr oder weniger zwangsextensiviert, in deren Folge die Milchviehhaltung sukzessive aufgegeben wurde. Mittlerweile gibt es nur noch einen Milchviehbetrieb, alle anderen halten Mutterkühe oder betreiben teilweise nur noch Landschaftspflege.
Betriebswirtschaftlich ist selbst mit 500 ha unter den gegebenen Auflagen kaum Gewinn zu erzielen. Lütjen-Wellner brachte die Lage auf den Punkt: „Die Mutterkuhhaltung ist ein schwaches Geschäft, da bleiben nur wenige Euro pro Kuh im Jahr über – davon kann ein Familienbetrieb nicht leben. Ich muss meine Mutterkühe als Landschaftspfleger sehen – die fressen das Gras ab, wir können die Naturschutzwiesen bewirtschaften und leben vom Ausgleich“. Der Aufwuchs aus Binsen und Seggen lässt sich nur als Einstreu verwerten, der anfallende Mist muss in die Biogasanlage, denn auf das Grünland darf er nicht ausgebracht werden. Am Ende des Jahres bleibt oft nur die Prämie aus der Agrarförderung hängen.
Paludi – ein Gamechanger?
Alle Welt redet von Paludikulturen, aber ein „Gamechanger“ sind sie hier (noch) nicht. In Schutzgebieten wie dem Teufelsmoor darf Dauergrünland nicht umgebrochen werden. Hochwachsende Paludi-Monokulturen wie Rohrkolben würden mit dem Wiesenvogelschutz kollidieren, denn Wiesenbrüter wie Kiebitz oder Brachvogel brauchen weitläufige Grünlandflächen mit hohen Anteilen an offenem Land. Es kommen also nur Aufwuchs-Paludi-Kulturen, die sich natürlich auf den Flächen entwickeln, für eine Verwertung in Frage. Diese Überlegungen veranlassten das Landvolk und die Teufelsmoorbauern dazu, 2017 den Arbeitskreis Aufwuchsverwertung zu gründen. 2020 gab der Arbeitskreis eine Machbarkeitsstudie beim Greifswalder Moorzentrum in Auftrag, in der Konzepte zur stofflichen und energetischen Verwertung der geernteten Biomasse aus dem Teufelsmoor aufgezeigt wurden. Das Spektrum der theoretischen Möglichkeiten reicht von thermischer Verwertung über Baustoffe bis hin zu Pflanzenkohle, aus der sich eine Art Terra Preta erzeugen ließe.
Fast unüberwindlich zeigten sich während der „Experimentier-Phase“ jedoch die diversen Hindernisse auf dem Weg zu einer wirtschaftlichen Umsetzung. Zusammen mit der LWK Niedersachsen, dem Landkreis Osterholz, dem Thünen-Institut, der TU Dresden und dem Greifswalder Moorzentrum stellte der Arbeitskreis daraufhin einen Antrag für ein Modell- und Demonstrationsvorhaben bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR). Das Projekt „LivingLab Teufelsmoor“ läuft bis Ende 2032 und wird durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung gefördert. Das Landvolk betreut innerhalb des „LivingLab“ den Verwertungsweg der Landwirte vor Ort mit dem Ziel, eine Wertschöpfung für die Gräser zu entwickeln.
2023 gründeten neunzehn Moorlandwirte und Mooreigentümer die Aufwuchsverwertung Teufelsmoor Osterholz (ATO) GmbH und Co KG. Geschäftsführer sind Hans Lütjen-Wellner und Frank Havemeyer. Große Hoffnung setzt Hans Lütjen-Wellner darauf, dass die ATO eine innovative Produktentwicklung vor Ort wirtschaftlich umsetzen kann – damit die Betriebe eine Zukunft haben.
Die Eindrücke aus dieser Fahrt – und neue Fragen, die sich daraus ergeben – diskutierten wir am Abend im Restaurant „Zur Teufelsmoorschleuse“ mit unseren Gastgebern und weiteren Fachleuten aus der Region. Klar ist, dass dieser Themenkomplex mit einer eintägigen Exkursion nicht umfassend adressiert werden kann. Im März 2025 soll es erste Zwischenergebnisse des Grünlandzentrums geben, dann wollen wir uns damit im Rahmen eines Online-ScienceTalk wieder befassen.
Text: Andrea Borsat, Ruth Franken
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