VDL-NDS: Exkursion in die Eifel mit vielen Eindrücken

Foto: Torsten Hansen

Der zweite Anlauf hat endlich geklappt: Vom 15. bis 18. September 2022 haben wir mehrere landwirtschaftliche Betriebe im Landkreis Bitburg-Prüm besucht. Gefunden haben wir sehr viel Unternehmergeist und Kreativität, erschreckende Beispiele für die Gewalt des Wassers im Klimawandel, eine Landschaft von herber Schönheit und gute Kulinarik. In vielen Gesprächen bekamen wir einen Eindruck davon, was Wirtschaften unter Grenzstandortbedingungen heißt, aber auch, wie Bürokratie gleichermaßen hilfreich wie hinderlich sein kann. Gut, dass wir mit Autos unterwegs waren, ein Reisebus hätte manchen Wirtschaftsweg nicht geschafft.

In der Eifel ist die Bewirtschaftung seit jeher durch naturräumliche und strukturelle Erschwernisse geprägt. Hinzu kommt, dass die gesamte Region historisches Realteilungsgebiet ist. Obwohl hier durch einen dynamischen außerlandwirtschaftlichen Arbeitsmarkt ein erheblicher Strukturwandel stattfand, bleibt die Erwirtschaftung angemessener Einkommen für die noch verbliebenen Betriebe eine Herausforderung. Weite Teile der Eifel fallen unter die EU-Gebietskulisse der „benachteiligten Gebiete“. Mit dem Klimawandel kommen neue Anpassungserfordernisse auf die Betriebe zu, wie die Flutkatastrophe im Juli 2021 nachdrücklich gezeigt hat. Im Rahmen der Lehrfahrt besuchten die Teilnehmenden in der südlichen Eifel fünf sehr unterschiedliche Betriebe, um sich einen Einblick in die Landwirtschaft unter Grenzstandortbedingungen und die verfolgten Strategien zu verschaffen.
Milcherzeugung ist seit jeher ein wichtiger Produktionszweig in der Eifel, die sich durch einen hohen Anteil an absoluten Grünlandstandorten auszeichnet. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Milchviehhaltung allerdings von vielen Betrieben aufgegeben, während andere konsequent investierten. So ging die Zahl der Betriebe zurück, während die Bestandsgrößen deutlich zunahmen.

Die Brennerei Hahn in Niederweiler gehört der ersten Gruppe an. Andreas Hahn gab die Milchviehhaltung bei Übernahme des Betriebs auf, weil die Flächenausstattung wenig Wachstumspotential bot und eine Aufstockung von 30 Milchkühen auf eine wirtschaftliche Größenordnung auch arbeitswirtschaftlich nicht darstellbar war. Hahn entschied sich dazu, die seit der Kaiserzeit bestehenden Brennrechte zu nutzen und die elterliche Obstabfindungsbrennerei in eine profitable Größenordnung auszubauen. Er setzte auf ein breites Sortiment von Früchten, investierte in die Steigerung der Qualität und in eine professionelle Vermarktung. Dazu gründete er eine Erzeugergemeinschaft mit weiteren Brennereien, für die er die Logistik übernimmt. Außerdem intensivierte er den Ackerbau und baute mit zwei Nachbarbetrieben eine Biogasanlage, aus der unter anderem ein großer Hotelkomplex am nahe gelegenen Bitburger Stausee mit Energie versorgt wird. Aufgrund seiner persönlichen Entwicklung ist Andreas Hahn auch als Dozent der Andreas Hermes Akademie tätig und unterstützt andere Landwirte bei vergleichbaren Grundsatzentscheidungen.

Peter Meutes ist bei der Milch geblieben – der Meuteshof in Rommerskirchen zählt heute zu den besten Milchviehbetrieben Deutschlands. Der anlässlich der Gründung des Klosters Prüm im Jahr 721 erstmals urkundlich erwähnte Betrieb wurde im Verlauf von 50 Jahren in mehreren Investitionsschritten aus beengter Dorflage heraus in die heutige Größenordnung entwickelt. 1972 hatten die Eltern 15 Kühe, heute melkt Meutes etwa 380 Hochleistungskühe mit einer Jahresleistung von über 12.500 Liter. Meutes ist passionierter Rinderzüchter und hält zahlreiche prämierte Kühe im Bestand. Dementsprechend wird die Nachzucht betrieben und auch die Bullenkälber haben hier die Chance auf eine Karriere als Zuchtbullen. Meutes investierte seit jeher jeden Euro, den er erübrigen kann – nicht in Landtechnik, sondern zuerst in Milchquote, dann in Energieversorgung (Biogas und Photovoltaik), immer wieder in neue Bausubstanz und vor allem in ergonomisch hochwertige Arbeitsplätze. Die Flächenausstattung beträgt 388 ha, davon 160 ha Grünland. Mit Peter Meutes und seiner Frau arbeiten zwei Söhne und drei Teilzeitmitarbeiter im Betrieb. Nicht nur die Offenheit des Betriebsleiters und die Leistungsdaten, auch die durchdachte Architektur und Technologie und vor allem das Erscheinungsbild der Tiere haben beim Betriebsrundgang einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen.

Noch einmal Milch: Wenige Kilometer weiter bot der Ziegenhof Steinrausch in Wascheid den Besuchern das ultimative Kontrastprogramm. Der Betrieb wurde erst 2001 gegründet und wird nach den Regeln des Bioland-Verbandes bewirtschaftet. 160 Milchziegen der Rasse Bunte Deutsche Edelziege, überwiegend im Herdbuch eingetragene Zuchttiere, werden gemolken, monatlich wird eine Milchleistungsprüfung durchgeführt. Die Tiere werden durchgemolken, das heißt sie lammen nur jedes zweite Jahr, weil die Vermarktung der nicht benötigten Ziegenlämmer schwierig ist. Die Milch wird in der eigenen Käserei zu einer breiten Palette von Käsesorten verarbeitet, die am Markt so gefragt sind, dass die Besucher nach der Verköstigung auf den erhofften Einkauf verzichten mussten. Der Ziegenhof ist ein reiner Pachtbetrieb, dessen Flächen von 72 ha erst 2020 weitgehend arrondiert wurden, wodurch hofnahe Weiden zur Verfügung stehen. Aktuell bahnt sich an, dass der Wolf näher rückt, so dass Fördermittel für den Bau von Zäunen und die Haltung von zwei Herdenschutzhunden akquiriert werden konnten. Ob das vor Verlusten schützt, muss man abwarten.

Am Abend kamen mit Peter Meutes und Dr. Anja Stumpe (Leiterin des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum – Eifel) zwei ausgewiesene Experten für die Landwirtschaft in der Eifel zum Begegnungsabend, wo sich das Gespräch in erster Linie um die Besonderheiten der Agrarverwaltung in Rheinland-Pfalz drehte. Dazu hatten beide neben sachlichen Informationen auch etliche Anekdoten zu erzählen. Die Norddeutschen erkannten wieder einmal, dass gradlinige Verwaltungsstrukturen ohne Kompetenzüberschneidungen ihr Gutes haben.

Der Besuch bei der ehemaligen Wanderschäferei von Günther Czerkus in Wallendorf rückte die Themen Erosion, Biodiversität und Naturschutz in der Eifel in den Mittelpunkt. Czerkus hatte über viele Jahre ca. 500 Schafe durch die Regionen der Südeifel geführt und war an vielen Naturschutzprojekten beteiligt. Als Mitbegründer eines Landschaftspflegeverbands kümmerte er sich jahrelang mit seinen Schafen um besondere Habitate wie terrassierte Flächen oder auch Orchideenwiesen. Er erklärte, wie das Wanderschaf zu „Biodiversitätstaxi“ wird – indem es in seinem Fell zahllose Samen zwischen begrenzten Naturräumen transportiert. Wissenschaftler bezifferten den Wert dieses „Regiosaatguts“ auf mehrere tausend Euro. Bei einer Wanderung zeigte Czerkus eine ökologische Flurbereinigungsmaßnahme, die bereits Ende der 80er Jahre angelegt geworden war. Der Abflussgraben sollte das abfließende Regenwasser aus den angrenzenden Ackerflächen in grasbewachsenen Windungen, mit Mulden und angrenzenden Gehölzpflanzungen entschleunigen. Doch statt der Schafe grasen jetzt Gallowayrinder; die kaum noch sichtbare Rinne ist heute fast wirkungslos. Auch am Waldrand war die zerstörerische Kraft des Wassers zu sehen, wo sich das von oberhalb gelegenen Feldern abfließende Wasser tief in den Waldboden eingegraben und etliche Bäume zu Fall gebracht hatte.

Letzte Station war in Holsthum der Betrieb von Hopfenanbauer Andreas Dick, der einzige seiner Art in ganz Rheinland-Pfalz. Der „Bitburger Siegelhopfen“, mit dem die Bitburger Brauerei Werbung macht, stammt im Wesentlichen von diesem Betrieb. Andreas Dick absolvierte in der Brauerei seine Ausbildung zum Brauer und Mälzer, bevor er 1996 den elterlichen Betrieb übernahm. Er bildete sich weiter zum diplomierten Biersommelier und pflegt enge Kontakte zur Bitburger Brauerei. Der Arbeitsaufwand pro ha Hopfen ist mit 400 h/Jahr sehr hoch, deshalb beschäftigt der Familienbetrieb Aushilfskräfte aus Polen und Ungarn.

Das zweite Standbein des Betriebs bilden fast 1.000 Obstbäume, überwiegend Apfelbäume. Bei einem Ertrag von 400 – 500 Zentnern sind 13 – 14 € pro Zentner Raffäpfel zu erzielen, aus denen in Luxemburg Cidre hergestellt wird. Etwa 5.000 Flaschen Obstbrand werden im Lohn hergestellt. Weitere typisch Eifeler Trinkspezialitäten sind Cofi, ein saurer Apfelcider + Cola, und Viez, ein gepresster Apfelsaft, der vergoren wird und mit 7,8 Alkohol einen stark säurehaltigen Apfelwein darstellt. Süßer Viez ist dagegen der süße Apfelmost. Der reine Cider hat einen Gehalt von 5,4 % Alkohol. Eine besondere Spezialität ist der „Eifel Hop Gin“, den Andreas Dick kreiert hat und bei einem befreundeten Brenner im Lohn herstellen lässt. Andreas Dick pflegt seine Netzwerke als Biersommelier: Sie öffnen ihm weltweit Türen zur Vermarktung seines GIN8 und weiterer Spezialitäten.

Der Klimawandel ist für Andreas Dick in mehrfacher Hinsicht akut, konkret eingeholt hat er ihn am 14. Juli 2021. Die Hopfenanlagen – angebaut wird vorwiegend Aromahopfen – erstrecken sich über 22 ha im Tal der Enz bis zur Mündung des Flusses in die Prym. Diese Lage wurde dem Betrieb zum Verhängnis, als die Flut das gesamte Tal mehrere Meter unter Wasser setzte und die Anlagen praktisch komplett zerstörte. Der Schaden belief sich auf 1,4 Mio. Euro. Der Neuaufbau bietet aber auch die Chance, die Dauerkultur mit einem Sortenwechsel und veränderter Anlagentechnik auf die kommenden Veränderungen einzustellen. Aber der Übergang ist schwierig: 2022 gab es 40% weniger Ertrag und 50% weniger Inhaltsstoffe.

Fazit: Fünf Betriebe, typisch für die südliche Eifel, fünf Betriebsleiterpersönlichkeiten mit besonderen Konzepten und dem Willen, an ihren Standorten die Landwirtschaft nicht aufzugeben, sondern in die Zukunft zu bringen. Bei den Betriebsbesichtigungen trafen die Teilnehmenden auf Menschen, die sich dieser Herausforderung stellen, teils seit Generationen an ihren Standorten wirtschaften und viele spannende Konzepte für ihre Betriebe entwickelt haben. Von Milch und Käse über Bier bis Likör, Edelbränden und Eifel-Gin reichte die Palette regionaler Erzeugnisse, von deren Geschmack und Qualität die Besucher sich überzeugen konnten. Aber auch praktische Konzepte für den Artenschutz und die Erhaltung der Biodiversität und erste Erkenntnisse für den Umgang mit dem Klimawandel konnte man hier kennenlernen. Erhellend – und teils auch erschreckend – waren die Gespräche beim Begegnungsabend, wo es um Konzepte und Perspektiven der Agrarverwaltung ging, die in den Bundesländern sehr unterschiedlich strukturiert ist. Da ist noch viel zu tun, um für die Zukunft gerüstet zu sein.
 

 

Text: Ruth Franken

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