Exkursion zu Weinbau und Technik
Bilder: Jens Ditter, Eberhard Köhler
Seit vielen Jahren wandert der VDL mit seinen Jahrestagungen durch die Republik, und natürlich sind immer wieder die Länder mit Weinanbau dran. So haben wir im Laufe der Jahre etliche Weinbaubetriebe kennengelernt und eine gute Vorstellung davon entwickelt, wie ein guter Wein entsteht. In diesem Jahr setzte der VDL-Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland einen anderen Schwerpunkt: Wie funktioniert die technische und logistische Seite der Weinerzeugung, bis wir den guten, in Deutschland gewachsen und ausgebauten Wein auf dem Tisch haben? Geleitet wurde die Exkursion vom stellvertretenden Vorsitzenden Oliver Strub, Agraringenieur, Winzermeister und Referent für die Winzermeisterausbildung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Mit ihm hatten wir einen kompetenten Fachmann an unserer Seite, der uns an seinem Wissen und seinen Erfahrungen teilhaben ließ und wirklich jede Frage beantwortete.
Wie legt man einen Weinberg an?
Die erste Station hatten wir beim Lohnunternehmen Niederauer in Stetten, das sich in den letzten zehn Jahren immer stärker auf Dienstleistungen für Weinbaubetriebe spezialisiert hat. Dazu gehören die Rodung von alten Anlagen, die tiefe Bodenbearbeitung und Pflanzung neuer Rebanlagen, die Pflege und Entlaubung der Reben und schließlich die Ernte, soweit diese maschinell erfolgen kann. Das alles in mehr oder minder hängigem Gelände, wobei Steillagen bis 70 % möglich sind – allerdings nur für mutige bis tollkühne Fahrer.
Spezielle Technik, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind erforderlich, um diese Aufgaben kosteneffizient zu erledigen. Dazu arbeitet Niederauer eng mit der Firma Wagner Pflanzen-Technik zusammen, die im Verlauf von 40 Jahren Firmengeschichte ein komplettes Sortiment von Spezialmaschinen für die Arbeit im Weinberg entwickelt hat. Wobei die beste Maschine nur so gut sein kann wie die Steuerung – und da ist Wagner am Markt ganz vorn. Alle Arbeitsgänge erfolgen GPS-gesteuert und werden über eine integrierte Vermessungssoftware durchgeführt. Eine 100%ige Datenkompatibilität ermöglicht einen sehr effizienten Arbeitsablauf und bildet den Grundstein für eine durchgängige Digitalisierung der Bewirtschaftung. Felder vermessen, Kundendaten pflegen, Auftragsdaten pflegen, Verbrauchsmaterial kalkulieren – alles passiert im ersten Arbeitsschritt. Das zeigte uns der Techniker von Wagner am Beispiel einer Neuanlage in einer Präsentation, bevor er die Funktionen des Pfostensetzers und der Rebenpflanzmaschine erklärte. Auf den beiden Arbeitsplätzen an der Zuführung der Stecklinge nahmen auch sofort erste Freiwillige Platz, die dann auf der Teststrecke auch mit Stöckchen in Aktion treten durften. Mehrfach fuhr der Fahrer die Maschine auf und ab und die „Pflanzleistung“ der Testarbeiter wurde mit viel Vergnügen vom Publikum kommentiert.
Gibt es guten Wein auch ohne Alkohol?
Anschließend ging es zur Weinkellerei Adam Trautwein in Lonsheim. Das Unternehmen wurde 1909 gegründet und wird aktuell in der 3. und 4. Generation der Familie Trautwein geführt. Der Begriff „Familienunternehmen“ ist zwar korrekt, aber doch auch irreführend, denn Trautwein gehört zu den größten Kellereien in Europa und die eigene Weinproduktion stellt nur einen winzigen Teil der Gesamterzeugung dar. Hauptsächlich ist die
Weinkellerei Trautwein Lohnverarbeiter für zahlreiche Winzer in Deutschland und bietet Full Service bis zur Abfüllung an. An den vier Standorten wird jährlich ein Gesamtvolumen von 25 Mio t Trauben verarbeitet, auf dem Höhepunkt der Weinlese fahren hier täglich ca. 200 Tankwagen auf den Hof. In den riesigen Edelstahltanks lagern bis zu 64 Mio. l Wein, Traubensaft und weitere Erzeugnisse. Verfahrenstechnisch ist die Kellerei auf dem modernsten Stand, u.a. mit Kaltvergärung, Elektrodialyse und einer anaeroben Behandlungsanlage für Weinbauabwässer – die weltweit erste derartige Anlage, die schon 1994 in Betrieb genommen wurde.
Eine Spezialität von Trautwein ist die Entalkoholisierung von Wein, die hier in großem – und auch kleinem – Maßstab betrieben wird. Neun solche Anlagen soll es in Deutschland geben, zwei stehen hier bei Trautwein in Lonsheim. 2014 wurde die erste installiert, die zweite, kleinere Anlage kam 2022 hinzu, um für andere Winzer Chargen ab 2.000 l im Lohn verarbeiten zu können.
Technisch ist der Prozess der Entalkoholisierung alles andere als trivial, die Anlagen sind teuer und das Verfahren der Vakuumrektifikation ist aufwändig. Da genügt es nicht, nur den Alkohol zu entziehen – der nimmt bei der Destillation das Aroma mit, das zurückgewonnen und dem entalkoholisierten Getränk wieder zugeführt werden muss. Auch die Menge ist nach dem Prozess um einiges geringer als vorher. Und die Qualität . . . die Idee, schwächere Weine über diesen Prozess aufzuwerten, funktioniert jedenfalls nicht. Vielmehr verlangen die stufenweisen Reduktionsvorgänge als Ausgangsbasis einen besseren Grundwein, um eine gute Qualität zu erzielen. Am Ende ist die Produktion von entalkoholisiertem Wein um ca. 15 Prozent teurer als das vergleichbare Getränk mit Alkohol und muss im Verkauf entsprechend mehr kosten.
Und wie schmeckt er nun, der Wein ohne Alkohol? Wir durften probieren und kommen zu dem Schluss, dass der Sekt näher dran ist am Original als der Wein. Wer seine Erwartungshaltung nicht anpasst, wird (noch) nicht glücklich. Wer sich darauf einlässt und einem neuen Geschmackserlebnis offen gegenübersteht, darf sich auf eine interessante Entwicklung in den nächsten Jahren freuen und sollte diesen Markt im Auge behalten.
Text: Ruth Franken, Jens Ditter