Bild: pixabay, Text: Dr. Juhl Jörgensen
Gedankenaustausch zum öffentlichen Dienst
Am 24. April trafen sich Mitglieder aus mehreren Landesverbänden, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, zu einem virtuellen Gedankenaustausch mit dem Bundesspartensprecher. Ein solcher Erfahrungsaustausch hatte erstmalig vor zwei Jahren stattgefunden, um sich nach dem Einschnitt der Corona-Pandemie neu zu sortieren und Probleme zu identifizieren.
Zwei Jahre später stellten die Teilnehmenden jetzt fest, dass manche Entwicklungen sich verfestigt haben, während andere Themen an Bedeutung verloren. Zusammengefasst lassen sich folgende wesentliche Herausforderungen identifizieren:
Stand und Konsequenzen der Digitalisierung im Arbeitsprozess
Die Teilnehmenden haben den Eindruck, dass die Digitalisierung an vielen Stellen im Arbeitsprozess auf dem Weg, aber eine strukturierte Herangehensweise nur ansatzweise erkennbar ist. Je nach Bundesland und Behörde sieht man große Unterschiede in der Umsetzung. In einem Gespräch im Vorfeld der Veranstaltung stellte eine Kollegin fest, manche Führungskräfte in ihrer Institution hielten sich mit der Kommunikation per E-Mail schon für „führend in der Digitalisierung“.
Übereinstimmung erzielten die Teilnehmenden in der Einschätzung, dass durch die bereits praktizierte Digitalisierung in erster Linie eine Verdichtung der Arbeitsprozesse einhergehe. Von Entlastungseffekten durch Digitalisierung könne man bisher nichts bemerken.
Positive und negative Effekte des Arbeitens im Home Office
Das Arbeiten im Home Office brachte vor allem in der Coronazeit einige Erleichterungen mit sich; inzwischen hat es sich als fester Bestandteil der Arbeitswelt im öffentlichen Dienst etabliert. Viele Arbeitnehmer sehen vor allem die Vorteile: Der Weg zur Arbeit entfällt an Home-Office-Tagen, Familie und Beruf sind tendenziell leichter vereinbar. Arbeitgeber prüfen, ob sie mit weniger Büroraum und entsprechenden Nebenkosten auskommen.
Inzwischen schärft sich allerdings auch der Blick für die Nachteile des Arbeitens im Home Office. Die Teilnehmenden am Gedankenaustausch erwähnen vor allem Probleme bei der Eingliederung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie erschwerte Abstimmung und Arbeitsorganisation im Team. Neue Mitarbeiter würden teils keine Notwendigkeit mehr sehen, den Wohnort in die Nähe des Arbeitsplatzes zu verlagern. Entsprechend gering ist die Bindung und Identifikation mit dem Unternehmen / der Institution, für die man tätig ist.
Fachkräftemangel und Probleme der Nachwuchsgewinnung
Dieses Thema wurde schon beim ersten Gedankenaustausch 2022 diskutiert und hat sich seitdem noch verschärft. Der öffentliche Dienst ist vor allem bei den Gehältern gegenüber der freien Wirtschaft wenig konkurrenzfähig. Allerdings ist dieser Aspekt für die Entscheidung, sich im öffentlichen Dienst zu bewerben, nicht allein ausschlaggebend. Punkten können Arbeitgeber mit flexiblen Teilzeitangeboten, attraktiven Bedingungen für mobiles Arbeiten, der Sicherheit des Arbeitsplatzes, um nur einige zu nennen. Familienplanung oder Nebenerwerbslandwirtschaft werden dadurch erleichtert.
Die Teilnehmenden steuerten weitere Aspekte zu dieser Diskussion bei. So hätten Beschäftigte im öffentlichen Dienst immer noch eine höhere Wochenarbeitszeit als aktuell in den Branchen der freien Wirtschaft verhandelt wurde – Beamte liegen mit 41 Stunden noch über der langjährigen Marke von 40 Stunden. Der Stand der Digitalisierung bei der konkreten Behörde, hierarchische Strukturen, mangelnde Gestaltungsspielräume und weitere Hemmnisse führten auch dazu, dass Nachwuchskräfte einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber auch wieder verlassen. Dazu sind Probezeiten eben da: sich einen Einblick zu verschaffen, Vergleiche zu ziehen – und etwas Besseres zu suchen.
Offene Fragen der Bewertung, Anerkennung und Entlohnung von Leistung
Als problematisch schilderten die Teilnehmenden die Bewertung, Anerkennung und Entlohnung besonderer Arbeitsleistungen. Zum einen sei das Procedere – je nach Behörde – intransparent und werde von den Mitarbeitenden oft nicht als fair empfunden. Zum anderen würden bestehende Ermessensspielräume von Führungskräften oft nicht genutzt, auch um Diskussionen aus dem Weg zu gehen.
Handhabung von Berufserfahrung im Einstellungsprozess
Auch dieses Thema kam schon vor zwei Jahren auf die Agenda. Eine Teilnehmerin berichtete, dass vor allem wissenschaftliche Mitarbeiter mit befristeten Projektverträgen beim Einstieg in neue Projekte immer wieder mit der untersten Einstiegstufe bewertet werden. Eine Kollegin sei seit zehn Jahren nicht eine einzige Entgeltstufe vorwärts gekommen.
Gleiches gilt für die durchaus gesuchten Quereinsteiger. Berufserfahrung, die außerhalb des öffentlichen Dienstes erworden wurde, wird grundsätzlich nicht als „einschlägig“ bewertet und zählt deshalb bei der Einstufung nicht. Wer mit etlichen Jahren Berufserfahrung als „Berufseinsteiger“ bewertet wird, dürfte kaum für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu gewinnen sein.
Am 16. Mai findet in Frankfurt/Main im Rahmen der VDL-Jahrestagung die Bundesspartensitzung Öffentlicher Dienst statt. Die bei diesem Gedankenaustausch angesprochenen Themen sollen bei der Sitzung vorrangig diskutiert werden, um Ansätze für die Spartenarbeit der nächsten Jahre zu definieren. Zu der Spartensitzung sind alle VDL-Mitglieder herzlich eingeladen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind.