Auf einen Praxisbezug vor und während des agrar- und ernährungswissenschaftlichen Studiums wird an deutschen Hochschulen unterschiedlich viel Wert gelegt. Das hat die aktuelle Umfrage des VDL-Bundesverbandes ermittelt, an der sich 12 Universitäten und 13 Fachhochschulen beteiligt haben. Die Umfrage ist zugleich Beleg dafür, dass der Föderalismus in der deutschen Hochschullandschaft auch bei den Praktika-Anforderungen zwischen „Pflicht und Kür“ voll zur Geltung kommt. Sehr zum Leidwesen der Studierenden. Der nachfolgende Überblick kann eine erste Orientierung geben.
Vorpraktikum beim Bachelor-Studium
An den agrarwissenschaftlichen Fakultäten wird lediglich von den Universitäten Hohenheim und Kassel vor Beginn des Bachelorstudiums ein 8 bzw. 13 Wochen dauerndes Praktikum in einem Ausbildungsbetrieb vorausgesetzt. Die Humboldt-Universität Berlin erwägt die Einführung einer „Vorstudiumpflichtpraxis“ von zwei Monaten, während die Universität Rostock ein Praktikum ausdrücklich empfiehlt.
Alle Fachhochschulen – mit Ausnahme der Hochschule Anhalt/Bernburg – verlangen ein Agrar-Vorpraktikum. Die Dauer variiert zwischen 4 Wochen und 12 Monaten.
Ein landwirtschaftliches Praktikum befasst sich u. a. mit Arbeits- und Wirtschaftsabläufen in landwirtschaftlichen bzw. gartenbaulichen Betrieben, in Agribusiness-Unternehmen der Be- und Verarbeitung bzw. des Handels, in Dienstleistungsunternehmen aus dem Agrarbereich oder verwandter Disziplinen.
Im Fachbereich Ökotrophologie fordert keine der befragten Universitäten ein Praktikum vor Beginn des Studiums. Dagegen ist bei fast allen Fachhochschulen ein Vorpraktikum Voraussetzung zum Bachelorstudium, ausgenommen die Hochschulen Fulda und Albstadt-Sigmaringen. Die vorgeschriebene Dauer des Vorpraktikums reicht von 4 Wochen (HS Anhalt) bis zu maximal 3 Monate (FH Osnabrück).
Ein Vorpraktikum kann u. a. im hauswirtschaftlichen Bereich, in einschlägigen Betrieben der Lebensmittelverarbeitung und Produktion, in Kliniken, Pflegeheimen, Verbraucherzentralen, Cateringunternehmen, bei Verbraucher- und Ernährungsberatungsstellen oder in der Lebensmittelüberwachung geleistet werden.
Vorpraktikum beim Masterstudium
Beim Master Agrar setzen weder Universitäten noch Fachhochschulen ein Vorpraktikum voraus, nur die FH Bingen macht hier eine Ausnahme.
Auch im Fachbereich Ökotrophologie werden in der Regel keine Praktika vor Beginn des Masterstudiums verlangt. Ausnahmen bilden die Universität Hannover- Dauer 52 Wochen, berufspraktische Tätigkeiten in den Bereichen Versorgung und Betreuung oder abgeschlossene Ausbildung – und die Hochschule Niederrhein, die ein 12wöchiges Vorpraktikum vorschreibt.
Interne Praktika und Bachelorstudium
Beim Bachelor-Studium der Agrarwissenschaften werden Interne Praktika an fast allen Fachhochschulen (Ausnahme von FH Osnabrück und HS Südwestfalen-Soest) sowie an den Universitäten Gießen, Bonn, TU München und Kassel angeboten.
Diese können nach Anzahl, Art und Dauer stark variieren: Anzahl: 1 bis 21 (21 bei HS Niederrhein = es handelt sich hierbei um Pflichtpraktika innerhalb des Studienverlaufs )
Für den Agrarbereich sind u.a. im Angebot: Allgemeine und organische Chemie, Phytomed. Praktikum, Praktische Laboranalyse grundlegender Milch-, Fleisch- und Eiqualitätsparameter, Agrochemisches Praktikum und Pflanzenschutz.
Interne Praktika während des Ökotrophologie-Studiums finden mit Ausnahme der FH Osnabrück an allen Fachhochschulen sowie den Universitäten Halle-Wittenberg, Bonn, Potsdam, Kiel und Gießen statt.
Auch hier fallen die Angebote nach Art und Dauer sehr unterschiedlich aus. Die Palette reicht von Laborpraktika/ Pflichtpraktika bis zu Studienprojekten in Chemie/Lebensmittelchemie, Anatomie und Mikroskopische Anatomie.
Externe Praktika und Bachelorstudium
Keine Externen Praktika sind an den Agrarfakultäten der Universitäten Hohenheim, Gießen und Bonn sowie der Fachhochschule Kiel und der Hochschule Südwestfalen-Soest in den Bachelor-Studiengang integriert.
Die Anzahl der Praktika schwankt zwischen 1 und 6, die Praktikumsdauer an den Universitäten zwischen 12 Wochen (TU München) und 6 Monaten (Halle) sowie an den Agrar-Fachhochschulen von 8 Wochen (FH Osnabrück) bis zu 30 Wochen (HS Neubrandenburg).
Beim agrarwissenschaftlichen Bachelorstudium gehören zu den Offerten u. a. ein Landwirtschaftliches Betriebspraktikum, ein Berufliches Praktikum im landwirtschaftlichen Organisationsbetrieb des vor- und nachgelagerten Bereiches oder ein Agrochemisches Praktikum.
Im Fachbereich Ökotrophologie verzichten die Universitäten Gießen, Bonn und Potsdam sowie die HS Niederrhein auf Externe Praktika. Die Dauer der Externen Praktika bewegt sich an den Universitäten von 4 bis 8 Wochen, an den Fachhochschulen von 12 bis 20 Wochen oder 1 Semester. Es handelt sich hier beispielsweise um ein Berufsfeldbezogenes Praktikum, ein Betriebspraktikum im Ernährungsbereich oder um berufspraktische Semester.
Interne Praktika und Master
Die Anzahl sowie die Dauer der einzelnen internen Praktika im Masterstudiengang können von Uni zu Hochschule und von Studiengang zu Studiengang stark variieren. Es ist keine Vergleichbarkeit möglich, da verschiedene Einheiten (SWS, Semester, Wochen) gebräuchlich sind. Die Beschreibung der einzelnen Praktika ist ebenfalls sehr variabel. Es werden beispielsweise für Ökotrophologie die Fachbereiche Lebensmittelchemie, Ernährungstoxikologie, Biochemie der Ernährung und Forschungsprojekte (Kleingruppenarbeit) genannt. Bei den Agrarwissenschaften sind es z. B. Pflanzenzüchtung, Ernährungsphysiologie und im Vorlesungsbetrieb integrierte Praktika.
Es bieten jedoch nicht alle Universitäten und Fachhochschulen interne Praktika an.
Lediglich die Universitäten Gießen und Kiel sowie die Fachhochschule Hochschule Weihenstephan/ Triesdorf (Abteilung Triesdorf) schreiben für den Masterbereich Agrar interne Praktika vor. Für den Master Ökotrophologie liegt die Zahl der angebotenen Praktika an den Universitäten und Fachhochschulen deutlich höher.
Externe Praktika und Master
In den Masterstudiengängen Ökotrophologie/Ernährungswissenschaften und Agrarwissenschaften u.ä. werden weder an den Universitäten noch Fachhochschulen Externe Praktika gefordert – mit Ausnahme der Hochschule Anhalt (FH)/ Bernburg (Food and Agribusiness), Fachhochschule Eberswalde (Öko-Agrarmanagement), Hochschule Weihenstephan/ Triesdorf (Abteilung Triesdorf/ Agrarmanagement) und Hochschule Neubrandenburg (Agrarwirtschaft). Die Praktika-Anzahl liegt zwischen 1 und 2, die Dauer zwischen 12 und 22 Wochen, u.a. als Berufspraktikum, Unternehmenspraktikum , Praxissemester und Betriebspraktikum im vor- oder nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft.
Auslandsaufenthalt freiwillig
Ein Auslandsaufenthalt für Studierende der Agrar- und Ernährungswissenschaften ist laut Aussage aller Universitäten und Fachhochschulen freiwillig. Lediglich die HS Fulda macht eine Ausnahme. Hier haben deutsche Studierende einen Auslandsaufenthalt im Umfang vom 12 ECTS credits nachzuweisen.
Zu guter Letzt: Ein Dankeschön gilt allen Hochschulen, die sich an der VDL-Umfrage beteiligt haben.
Text: Dr. Dieter Barth/Margarete Nowak