Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes e.V.; Foto: Presse
Die Digitalisierung ist längst in der Landwirtschaft angekommen: Satelliten und Sensoren liefern Daten, die dem Landwirt oder der Landwirtin helfen, den Anbau zu planen, aber auch konkrete Arbeitsanweisungen für landwirtschaftliche Maschinen liefern: Wo Pflanzen weniger dicht stehen und sich deshalb Pilzkrankheiten entwickeln wird automatisch weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht. In der Tierhaltung helfen IT-Systeme zur individuellen Tierbeobachtung, um Krankheiten oder Verletzungen frühzeitig zu erkennen. Durch Künstliche Intelligenz „lernen“ diese Systeme, schon kleinste Hinweise zu identifizieren. Der Einsatz digitaler Technologien schützt also die Tiere und schont die Umwelt. Anfängliche Investitionen amortisieren sich rasch. Auch für bäuerliche Familienbetriebe.
Die Technik stößt allerdings an Grenzen, wenn keine schnelle Datenverbindung zur Verfügung steht und wenn gesetzliche Vorgaben regional unterschiedlich ausgelegt werden. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf.
Wenn der Staat die notwendige Infrastruktur bereitstellt und den Wettbewerb der Dienstleistungs-Unternehmen nicht unnötig behindert, dann wird die Digitalisierung zum Schlüsselfaktor einer nachhaltigen Landwirtschaft.
Markus W. Ebel-Waldmann, Präsident des VDL Bundesverband e.V.; Foto: Silv Malkmus
Die Landwirtschaft ist über die gesamte Wertschöpfungskette ein Wirtschaftsbereich, der schon im letzten Jahrhundert auf Innovation und technischen Fortschritt gesetzt hat, um eine stark wachsende Weltbevölkerung mit ausreichenden und qualitativen Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Landwirtschaft hat die Digitalisierung schon frühzeitig und als eine der ersten Branchen überhaupt als Chance begriffen. Mit der Einführung von Computern und Sensoren um 1980 in der Landwirtschaft, haben diese sich rasant bis zum derzeitigen „Precision Farming“ und „Precision Livestock Farming“ weiterentwickelt. Eine Vielzahl unterschiedlicher Sensoren erheben kontinuierlich Daten, die auf verschiedenen Plattformen gespeichert und mit unterschiedlichen Softwaresystemen verarbeitet werden. Neben den innerbetrieblichen Sensorsystemen in der Nutztierhaltung und im Pflanzenbau zur nachhaltigen Betriebsoptimierung, sind landwirtschaftliche Betriebe gesetzlich zur Aufzeichnung und Weiterleitung einer Vielzahl von Daten an staatliche Institutionen und Verbänden verpflichtet. Das Datenmanagement der umfangreich zur Verfügung stehenden, aber nicht einheitlich erhobenen und bearbeitbaren Daten, stellt zahlreiche Herausforderungen und bisher ungenutzte Chancen dar.
Die Digitalisierung wird die Landwirtschaft voranbringen, weil sie nicht nur Komplexität auflöst, die Produktivität ressourcenschonend steigert und zur Arbeitserleichterung beiträgt, sondern auch die Arbeitsqualität und den Arbeitsschutz spürbar erhöht. Landwirtschaft war und ist ein spannendes Berufsfeld und wird es auch dauerhaft bleiben!
Frank Gemmer, Hauptgeschäftsführer, Industrieverband Agrar e. V.; Foto: Presse
Frische Nahrungsmittel sind für uns selbstverständlich. Zugleich wächst die Zahl derer, die eine regionale, umwelt- und klimaverträgliche Landwirtschaft erwarten. Nachhaltigkeit bedeutet für sie auch, dass so wenig chemische Hilfsmittel wie möglich zum Einsatz kommen.
So wenig wie möglich, so viel wie nötig – so setzen Landwirte Pflanzenschutz- und Düngemittel ein. Allein wirtschaftlich haben sie großes Interesse, diese kostenintensiven Betriebsmittel möglichst sparsam zu verwenden, denn die Mittel haben ihren Preis. Dabei hilft ihnen schon immer der Fortschritt in der Landtechnik, heute auch die Digitalisierung. Die Kombination von moderner Ausbringtechnik und digitalen Lösungen wird zum präziseren Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln beitragen. Feldspritzen bringen satellitengesteuert Pflanzenschutzmittel punktgenau aus, Sensoren erkennen den Nährstoffbedarf oder den Schädlingsbefall der Pflanzen. Die notwendigen Mengen werden in Zukunft online optimiert.
Für den langfristigen Erfolg wird die Landwirtschaft aber ein schnelles mobiles Breitbandnetzes zwingend angewiesen sein. Hier ist die Politik gefordert, das Potenzial digitaler Lösungen auf dem Land zu entfesseln.
Michael Oelck, Hauptgeschäftsführer des LandBauTechnik – Bundesverband e.V.; Foto: Presse
Dank digital vernetzter Systeme wissen Landmaschinen, was sie wo auf dem Acker machen. Wurde bei Flächenspritzen bislang noch der gesamte Acker „geduscht“, können sie heute Schadkräuter oder Pilznester erkennen und unterwegs einzeln bearbeiten. Auch Saatmengen oder Düngergaben lassen sich für jeden Quadratmeter berechnen, wobei im Moment der Ausbringung noch Bodentemperatur oder Windgeschwindigkeit berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für die Milchkuh, die im immer geöffneten Melkstand erkannt wird und ihre Futtergaben erhält; hier werden Milchmengen und -qualität erfasst, die wiederum auf Tierwohl und optimierte Fütterung be-rechnen. Oder Bauwirtschaft: Hier wird in bspw. einem Bagger jeder Arbeitsprozess laufend erfasst, überprüft und mit Soll-Werten abgeglichen. So kann der Mechatroniker Schäden beheben, bevor sie überhaupt entstehen.
Ob in der Erntetechnik, bei Kommunalmaschinen oder in der Tierhaltung – Digitalisierung ist in der LandBauTechnik heute schon gelebte Realität. Die berufliche Bildung muss dies berücksichtigen, die Fortbildung ist ebenso zwingende Voraussetzung wie ausreichend dimensionierte Datennetze. Da ist noch einiges aufzuholen.
Journalist: Jörg Wernien
Sonderpublikation in Die Welt im Oktober 2020 (Analyse Nr. 54 / Oktober 2020 / S. 6)
Quelle: European Media Partner https://analysedeutschland.de/article/digitalisierung-landwirtschaft-experten-10-20.html