Abschied nach 19 Jahren: LLH-Direktor Andreas Sandhäger geht in den Ruhestand

Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) verabschiedet seinen langjährigen Direktor Andreas Sandhäger zum 31. Juli in den Ruhestand. Bildquelle: LLH

(LLH) Seine Mitarbeitenden schätzten ihn als nahbaren und fairen Vorgesetzten, im Berufsstand und der hessischen Agrarverwaltung war er als erfahrener und kompetenter Ansprechpartner gerne gesehen. Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) verabschiedet seinen aus Volkmarsen stammenden Direktor, Andreas Sandhäger, zum 31. Juli 2024 in den Ruhestand.

Verlässliche Rahmenbedingungen für die Arbeit der Beschäftigten des LLH zu schaffen, damit diese sich auf ihre Fachlichkeit konzentrieren können – Dies war Andreas Sandhäger ein wichtiges Ziel, nachdem die hessische Agrarverwaltung im Laufe der 1990er-Jahre einige Veränderungsprozesse durchlebte. Nach der Ausbildung zum Landwirt und anschließendem Agrarstudium in Göttingen begann Sandhäger 1987 seine Laufbahn in der hessischen Agrarverwaltung mit dem Referendariat. Nach Stationen im Landwirtschaftsministerium und in Landwirtschaftsämtern wurde Sandhäger 2001 Abteilungsleiter für die hessische Agrarberatung. Ab 2005 übernahm er die Direktion des LLH, das aus dem Hessischen Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz (HDLGN) hervorging. Unter seiner Leitung entwickelte sich der LLH zu einem bedeutenden Beratungs- und Bildungszentrum für Landwirtschaft und Gartenbau. „Gemeinsam mit den Mitarbeitenden ist es gelungen, ein verlässlicher und kompetenter Partner für die Landwirtschaft und den Gartenbau zu werden. Mit unserer unabhängigen und neutralen Arbeit gelangt stetig neues Wissen aus der Wissenschaft in die Praxis“, führt Andreas Sandhäger aus.

Besonders hervorzuheben ist seine Rolle als Geschäftsführer des Kuratoriums für das landwirtschaftliche und gartenbauliche Beratungswesen, das er mit den Verbänden aufbaute und das seither die Beratungsinhalte maßgeblich mitbestimmt. Sandhäger betont die Bedeutung dieses Kuratoriums: „Im Mittelpunkt stand, sowohl eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Verbänden im Kuratorium als auch in der Abteilung zu schaffen. Das Kuratorium ist absoluter Stabilitätsfaktor für die Beratung und den gesamten LLH – Deshalb wird nach meiner Einschätzung diese Konstruktion der Offizialberatung noch lange bestehen.“

Qualifizierende Fachschulausbildung in Hessen gefördert

Durch den ebenfalls im Jahr 2005 vom Berufsstand, LLH und Landwirtschaftsministerium geschlossenen Schulpakt, förderte Andreas Sandhäger maßgeblich die qualifizierende Fachschulausbildung in Hessen. An den vier organisatorisch dem LLH zugeordneten Schulstandorten Alsfeld, Darmstadt-Griesheim, Fritzlar und Fulda-Petersberg ist somit eine fachlich fundierte Aus- und Weiterbildung für Junglandwirtinnen und Junglandwirte gewährleistet. „Zu Beginn meines Amtsantritts habe ich den Schulpakt vorangetrieben, um sicherzustellen, dass in den vier Fachschulen immer ausreichend Lehrkräfte vorhanden sind“, erklärt Andreas Sandhäger. Ausbildung und Schulstandorte seien wichtige Themen im Berufsstand.

Mit dem Tag der landwirtschaftlichen Ausbildung initiierte Andreas Sandhäger eine bedeutungsvolle Veranstaltung. Im Zuge der seit 2006 gemeinsam mit dem Hessischen Bauernverband (HBV) organisierten Feierlichkeit werden alle Absolventinnen und Absolventen geehrt, die erfolgreich die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Landwirtin/Landwirt abgelegt haben. Die Initiative zur Förderung heimischer Eiweißpflanzen ist ein weiterer Meilenstein Sandhägers beruflicher Laufbahn. Das Projekt trug dazu bei, die Selbstversorgung der hessischen Landwirtschaft zu stärken, für die jährlich benötigten 250.000 Tonnen Sojaeiweiß-Äquivalente.

Stärkung des internen Zusammenhalts

Als Landesbetriebsleiter setzte sich Andreas Sandhäger jahrzehntelang beispielhaft für die Interessen der hessischen Landwirtinnen und Landwirte, Gärtnerinnen und Gärtner ein. Sein vorausschauendes und bestimmtes Handeln hat den LLH vor allem zu folgendem aufgebaut: Einem erfolgreich arbeitenden Landesbetrieb mit rund 530 Beschäftigten, der politisch neutral für die landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betriebe in Hessen als verlässlicher Dienstleister zur Verfügung steht.

„Es war mir eine große Ehre, den LLH als Direktor zu führen und unseren landwirtschaftlichen Betrieben als verlässlicher Partner zur Seite zu stehen“, sagt Sandhäger. „Gemeinsam mit meinen engagierten Mitarbeitenden haben wir viele wichtige Projekte vorangebracht und den LLH nachhaltig positioniert.“

Integration des Landgestütes in den LLH

In der 19-jährigen Dienstzeit als LLH-Direktor sah Andreas Sandhäger auch Herausforderungen entgegen, beispielsweise im Zuge der ab 2010 erfolgten Übernahme des Landgestüts Dillenburg durch den LLH. Der Selbstständigkeitsverlust des Gestüts rief großes Misstrauen in der Kommunalpolitik hervor. Demgegenüber stand jedoch, den ersten Rechnungshofbericht umzusetzen und die Gebäude zu sanieren, allen voran das einsturzgefährdete Reithaus. „Neben baulichen Herausforderungen wurde nach Schließungs- und Tierwohldiskussionen schließlich die Hengsthaltung aufgegeben. Umso positiver kann der LLH heute auf eine erfolgreiche Reit- und Fahrschule mit beliebten Reithauskonzerten, vielen kulturellen Projekten und Vermietungen für Veranstaltungen blicken“, so Andreas Sandhäger. Nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben plant Sandhäger, sich der Sanierung eines historischen Gebäudes in Volkmarsen zu widmen und sein Engagement im örtlichen Gesangsverein sowie im Schützen- und Karnevalsverein fortzuführen.

Werdegang und Geschäftsführungen

Andreas Sandhäger befand sich von 1987 bis 1989 im Vorbereitungsdienst für den höheren Dienst in der hessischen Agrarverwaltung, u.a. an der Friedrich-Aereboe-Schule in Darmstadt. Nach einer Tätigkeit beim hessischen Landwirtschaftsministerium in Wiesbaden und der Geschäftsführung der zu dem Zeitpunkt neugegründeten Marketinggesellschaft „Gutes aus Hessen“ arbeitete Sandhäger beim Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung Usingen, als Gruppenleiter 1 (Ausbildung) und 4 (Betriebswirtschaft) sowie später auch 3 (Produktion).

Von 1993 bis 1996 die Abteilungsleitung 3 Landschaftspflege am ARLL Eschwege innehabend, war er anschließend bis ins Jahr 2000 als Dezernent für Betriebswirtschaft beim Hessischen Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft (HLRL) tätig.

Er war Vorsitzender der Sparte öffentlicher Dienst im VDL Hessen, Vorsitzender der ALB Hessen von 2006 – 2016, wie auch der Fördergemeinschaft der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA), heute Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL). Ebenso übernahm Sandhäger für mehrere Jahre die Geschäftsführung für den Landesagrarausschuss. Außerdem war er Vorstandsmitglied beim Kompetenzzentrum HessenRohstoffe (HeRo) in Witzenhausen, von dessen Gründung 2004 bis zu dessen Integration in den LLH 2015. Bis 2023 war er außerdem als Geschäftsführer der AG Landwirtschaftliche Woche verantwortlich und begleitete weiterhin mehrere Jahre die Koordinierungsgruppe „Tier“ der Länderanstalten, teilweise mit Sprecherfunktion.

Dem VDL Berufsverband Agrar, Ernährung, Umwelt gehört Andreas Sandhäger bereits seit 1988 an und war fast 20 Jahre im Landesvorstand des VDL Landesverbandes Hessen e.V. aktiv, davon über 10 Jahre als stellvertretender Landesvorsitzender. Beim Festakt zur Verabschiedung von Andreas Sandhäger am 12. Juli 2024 auf dem Hessischen Landgestüt Dillenburg dankte VDL-Präsident Markus W. Ebel-Waldmann sehr herzlich für sein großartiges und erfolgreiches Engagement im VDL und wünschte ihm für den nächsten Lebensabschnitt das Allerbeste.

Text: Markus Ebel-Waldmann

VDL-Studierendesparte und Young Professionals begleiten JLU-Absolvent/innen von der Hochschule in das Berufsleben!

Der Vorsitzende der VDL-Sparte Young Professionals Philipp Schupp informierte über das Leistungsangebot des VDL. Bildquelle: VDL Hessen

Am 14. Juni 2024 war der VDL Landesverband Hessen e.V. bei der diesjährigen Absolvent/innenfeier des Fachbereichs 09 Agrarwissenschaften Ökotrophologie und Umweltmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) vertreten. Die Veranstaltung des AK Absolventenfeier bot den rund 70 Absolvent/innen aus den Bereichen Agrar, Ernährung und Umwelt einen festlichen Rahmen, um würdig ihre Studienabschlüsse zu feiern.

Während des Abends nutzen die Vertreter der Sparte Studierende und Young Professionals im VDL die Gelegenheit, um über die berufsständische Arbeit des VDL zu informieren. Die frischgebackenen Absolvent/innen konnten sich vor dem offiziellen Festakt im Gespräch und im Nachgang mit den umfassenden Printmedien über die vielzähligen Vorteile der Mitgliedschaft im VDL informieren.

Wir wünschen allen Absolvent/innen alles Gute für ihren weiteren beruflichen und persönlichen Lebensweg. Wir würden uns freuen, sie in naher Zukunft im Rahmen unseres starken Netzwerks als Kolleg/innen wiederzusehen. Denn wir sind uns sicher: Der VDL kann sie über die Schwelle der Hochschule hinaus kompetent in ihrer beruflichen Entwicklung begleiten!

Text: Arne Krause

Hochschule Geisenheim beruft Dr. Johanna Döring zur weltweit einzigen Professorin für ökologischen Weinbau

Die Geisenheimer Professorin Dr. Johanna Döring hat die weltweit einzige Professur für ökologischen Weinbau seit 1. Mai 2024 inne; Bildquelle: Hochschule Geisenheim/Philipp Stieffenhofer

Die Hochschule Geisenheim freut sich, die Berufung von Prof. Dr. Johanna Döring zur Professorin für ökologischen Weinbau bekanntzugeben. Mit dieser einzigartigen Professur unterstreicht die Institution ihre führende Rolle in der Forschung und Lehre des ökologischen Weinbaus.

„Ich freue mich besonders, die einzige Professur für ökologischen Weinbau weltweit auszufüllen und die Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft, die uns bevorsteht, für den Bereich des ökologischen Weinbaus mitzugestalten,“ sagt Professorin Dr. Johanna Döring. „Ich hoffe, mit den zu erarbeitenden Lösungsansätzen im ökologischen Weinbau auch viele integriert arbeitende Kolleginnen und Kollegen zu erreichen.“

Nachhaltige Weiterentwicklung des ökologischen Weinbaus im Fokus

Professorin Dr. Döring knüpft an die Forschungen ihres Vorgängers Prof. Dr. Randolf Kauer an, mit dem sie lange zusammengearbeitet hat. „Einerseits mit dem einzigartigen Langzeit-Vergleichsversuch INBIODYN, der in Geisenheim zur Verfügung steht, andererseits mit der Erarbeitung von Strategien zur Kupferreduzierung im Ökoweinbau, natürlich in Kooperation mit weiteren Kolleginnen und Kollegen,“ erklärt sie. Darüber hinaus liegt ihr die nachhaltige Weiterentwicklung des ökologischen Weinbaus besonders am Herzen. Dies umfasst die Erforschung von Lösungsansätzen zur Abmilderung der Klimawandelfolgen und die Reduktion der Umweltwirkungen des ökologischen Weinbaus.

Verzahnung zwischen Forschung, Lehre und Praxis

Die gebürtige Bad Hersfelderin betont die Bedeutung der Verbindung von Forschung, Lehre und Praxis: „Ich freue mich sehr darauf, neue Konzepte im ökologischen Weinbau wie z. B. Agroforst zu beforschen, neue Methoden am Standort zu etablieren und die Forschungsergebnisse auch in die Lehre einfließen zu lassen. Ein Alleinstellungsmerkmal des Standortes Geisenheim ist die Forschung zum ökologischen Weinbau, deshalb können wir aktuell auch so authentisch wie keine andere Institution dieses Wissen vermitteln. Außerdem freue ich mich in der Lehre darauf, in praktischen Lerneinheiten Wissen z. B. zu Begrünungsmischungen oder dem Umstellungsprozess auf ökologische Produktion weiterzugeben.“

Die Hochschule ist stolz, dass sie mit Professorin Dr. Johanna Döring nicht nur eine ausgewiesene Expertin auf diesem Gebiet, sondern auch eine geschätzte Kollegin für diese Aufgabe gewinnen konnte, die sich darüber hinaus in den letzten Jahren als engagierte Dozierende im Rahmen diverser Lehrveranstaltungen wie Organic Viticulture sowie Advanced Viticulture ausgezeichnet hat.

Zur Person:

Prof. Dr. Johanna Döring ist selbst Geisenheim-Absolventin und besitzt umfassende praktische Erfahrung im ökologischen Weinbau. 2019 schloss sie an der Justus-Liebig-Universität Gießen ihre Promotion zum Themenkomplex des ökologischen und biodynamischen Weinbaus ab. Im Anschluss arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim. Sie verfasste zahlreiche Artikel zu den Auswirkungen des ökologischen Weinbaus auf Biodiversität, Pflanzenwachstum und Traubenqualität. Seit 2021 ist sie zudem Mitglied in der `expert group for technical advice on organic production` (EGTOP), subgroup wine, der Europäischen Kommission.

Text: Markus W. Ebel-Waldmann

Machen Sie mit: Fach- und Führungskräftebedarf in der Agrarbranche – Studienprojekt des VDL-Bundesverbandes

Foto: Pixabay

Der VDL hat eine aktuelle Studie beauftragt, die von Prof. Dr. J.-P. Loy von der Macke-Loy-Glauben GbR Markt- und Konsumforschung, Beratung, zusammen mit dem Lehrstuhl für Marktlehre am Institut für Agrarökonomie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wissenschaftlich bearbeitet wird. Untersucht werden soll der Fachkräftebedarf der gesamten Branche inklusive des vor- und nachgelagerten Bereiches in den kommenden Jahren.

Bereits 2014 hat sich der VDL mit diesem Thema beschäftigt. Seither hat sich der Fachkräftemangel in der gesamten Wirtschaft weiter verstärkt – für die Agrarbranche liegen aber kaum belastbare Zahlen vor. Daher soll das Studienprojekt nun ein aktuelles Lagebild und einen Ausblick auf die Herausforderungen der kommenden Jahre erarbeiten. Anschließend sollen die Ergebnisse mit Politik, Verbänden, der Wirtschaft und auch den Hochschulen diskutiert werden.

Gefördert wird das Projekt von der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Die Ergebnisse werden im 4. Quartal 2024 erwartet.

Die Befragung finden Sie hier (Dauer ca. 8-10 Minuten). Teilen Sie den Link gerne. Der VDL freut sich über eine umfangreiche Teilnahme.

 

Text: Tobias Dammeier

 

Vorstellung der Agri-PV-Anlagen für den Weinbau an der Hochschule Geisenheim

VitiCULT schützt Jungreben vor übermäßiger Sonne und Trockenheit, und soll den Anwuchserfolg angesichts des Klimawandels verbessern; Bildquelle: Philipp Stieffenhofer

Die Hochschule Geisenheim präsentierte am 9. Juli 2024 der interessierten Öffentlichkeit, darunter zahlreiche Winzer, zwei innovative Typen von Agri-Photovoltaikanlagen (Agri-PV). Diese Anlagen werden im Rahmen der Weinbauforschung als Forschungsplattformen erprobt und bieten vielversprechende Lösungen für den Klimawandel und nachhaltigen Weinbau.

Seit März 2023 wird die fest installierte, hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlage „VitiVoltaic“ mit beweglichen, semi-transparenten Modulen getestet. Neu hinzugekommen ist seit Juni 2024 „VitiCULT“, ein Prototyp einer mobilen, ein- und ausfahrbaren Agri-PV-Anlage für Neuanpflanzungen, die ein Standard-Unterstützungssystem nutzt.

Vielfältige Vorträge der Projektpartner

Dr. Max Trommsdorff, Gruppenleiter Agri-Photovoltaik beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, präsentierte den aktuellen Stand der Agri-PV-Forschung und -Entwicklung weltweit und in Deutschland. Er betonte die Vielfalt der Anlagentypen und -systeme, von vertikalen Zaunanlagen im Grünland bis zu semitransparenten, hoch aufgeständerten Modulen, und stellte den aktuellen Stand der Förder- und Genehmigungsverfahren vor.

Die Idee zum Bau des Agri-PV Reallabors in Geisenheim entstand nach einem Vortrag von Dr. Trommsdorff im Jahr 2018. Das Trio Trommsdorff, Prof. Dr. Manfred Stoll und Prof. Dr. Claudia Kammann entwickelte gemeinsam die Vision für diese innovativen Anlagen.

Prof. Stoll, Institutsleiter für allgemeinen und ökologischen Weinbau sowie Professor für allgemeinen Weinbau und Prof. Kammann, Professorin für Klimafolgenforschung an Spezialkulturen, beide von der Hochschule Geisenheim, erläuterten den Weg zum Bau der großen VitiVoltaic Forschungsanlage. Die Doktorandin Lucía Garstka stellte Ergebnisse des ersten Forschungsjahrs vor.

Thomas Keck von der sbp sonne gmbh erklärte abschließend die Konzeptentwicklung und den Aufbau der VitiCULT Anlage. Das Projektteam, bestehend aus Thomas Keck, Christian Weinmann (sbp), Manfred Stoll und Claudia Kammann (HGU) sowie Sebastian Gölz, Max Trommsdorff und Julia Wamseler (Fraunhofer ISE), hat diesen mobilen Prototyp im vergangenen Jahr entwickelt und installiert.

Nach den Vorträgen luden die Geisenheimer zu einem Spaziergang oder einer Radfahrt zu den Standorten der Anlagen ein, um die Installationen vor Ort zu besichtigen. Das „Team Agri-PV“ der Hochschule Geisenheim, das Fraunhofer ISE sowie die Ingenieure von sbp sonne gmbh standen im Anschluss für weitere Fragen zur Verfügung.

Die beiden Teilprojekte im Überblick

  • Stationäre APV-Anlage: Projekt „VitiVoltaic“ – Die Vorteile:
    • Sorgt für kühlere Temperaturen bei Tag und wärmere bei Nacht sowie erhöhte Bodenfeuchtigkeit.
    • Die Reben passen sich den veränderten Lichtverhältnissen an und entwickeln größere Blattflächen.
    • Jungreben wachsen besser an und bilden im ersten Jahr längere, kräftigere Triebe.
    • Die Trauben weisen geringere Fäulnisraten und Sonnenbrandschäden auf.
  • Mobile APV-Anlage: Projekt „VitiCULT“ – Die Vorteile:
    • Der Agri-PV-Prototyp benötigt keine massive Unterkonstruktion, sondern baut auf vorhandene Zeilenstickel auf.
    • Stabilität durch Verspannung und die Möglichkeit, die auf Folien auflaminierten APV-Module bei hohen Windlasten in Kästen einzufahren.
    • Die Anlage kann einfach demontiert und an einem anderen Weinberg installiert werden.
    • VitiCULT schützt Jungreben vor übermäßiger Sonne und Trockenheit, und soll den Anwuchserfolg angesichts des Klimawandels verbessern.

 

Weitere Informationen unter: https://www.hs-geisenheim.de/agri-photovoltaik/

 

Details zu „VitiCULT“

Die Hochschule Geisenheim hat eine innovative mobile Agri-Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen. Das Pilotprojekt „VitiCULT PV-mobil“, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), verbindet bei einfachem Aufbau Weinbau und Solarstromgewinnung auf einer landwirtschaftlichen Fläche.

Die Anlage, deren Module ohne größeren konstruktiven Aufwand über Rebenneuanpflanzungen aufgestellt werden können, bietet schattenspendenden Schutz. Bei Starkwinden lassen sich die Module automatisch in ein Schutzgehäuse zurückfahren, was eine deutlich einfachere Bauweise ermöglicht. Das neue Anlagenkonzept wurde insbesondere zum Schutz für Neupflanzungen entwickelt, die sich in zunehmend trocken-heißen Jahren nicht gut etablieren. Die modulare Leichtbauweise soll einen unkomplizierten Wechsel zwischen Jungpflanzenanlagen erlauben.

Im Rahmen des Projekts arbeiten die Hochschule Geisenheim, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und die sbp sonne gmbh eng zusammen. Das Fraunhofer ISE, Europas größtes Forschungsinstitut für Solarenergie, hat die Idee der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) entwickelt. Die sbp sonne gmbh, ein international tätiger Solarenergie- und Tragwerksplaner, bringt ihre Expertise in der technischen Konzeptentwicklung und Konstruktion ein. Die Hochschule Geisenheim bringt Weinbauexpertise ein und kombiniert Grundlagenforschung mit praxisorientierten Studien.

Das Projekt wird im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme „KMU-innovativ“ als Teil eines Verbundprojekts für Energieeffizienz und Klimaschutz unterstützt. Ziel ist es, integrative Lösungen für Klimaresilienz, Energiewende und Pflanzenschutz zu fördern und damit nachhaltige Kulturlandschaften zu stärken.

Text: Markus W. Ebel-Waldmann

„You´ll never walk alone“

Bildquelle: JLU

Feierliche Amtseinführung von JLU-Präsidentin Prof. Katharina Lorenz und Übergabe der Vizepräsidenten-Ämter an Prof. Alexander Goesmann und Prof. Karsten Krüger.

Nur gemeinsam lassen sich kreative Ideen umsetzen, Impulse in Konzepte und Projekte verwandeln, Strategien weiterentwickeln, Institutionen voranbringen – kurz: Erfolge erzielen. Als am Ende der feierlichen Amtseinführung von JLU-Präsidentin Prof. Dr. Katharina Lorenz und der Übergabe der Vizepräsidentenämter an Prof. Dr. Alexander Goesmann und Prof. Dr. Karsten Krüger die in der Aula versammelte Festgemeinde in den Refrain des Songs „You´ll never walk alone“ einstimmte, mochte das für viele Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik am 16. Juli 2024 ein Gänsehautmoment gewesen sein. Für die JLU-Mitglieder und -Angehörigen war es mehr als eine Momentaufnahme. Zum Ausdruck kam erneut der besondere Spirit, der die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ausmacht, der ihre Mitglieder und Angehörigen motiviert und sie als Institution immer wieder vorangebracht hat.

Die Liste der Ehrengäste war lang, darunter der Hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels. In seinem Grußwort betonte er: „Die Justus-Liebig-Universität steht sowohl für exzellente Forschung mit klarer Ausrichtung an gesellschaftlichen Erfordernissen und Anwendungsfeldern als auch für innovative Lehre. Ich bin mir sicher, dass mit der neuen Präsidentin Prof. Dr. Katharina Lorenz diese Entwicklung weiter erfolgreich vorangetrieben wird, und freue mich auf die Zusammenarbeit.“

Zahlreiche Abgeordnete von Bundestag und Landtag, der Oberbürgermeister der Universitätsstadt Gießen, Frank-Tilo Becher, weitere Mitglieder von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, Stifterinnen und Stifter sowie Freunde und Förderer der Universität hatten sich ebenso wie Studierende, Forschende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Aula versammelt. Auch der ehemalige JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, der seit 1. Oktober 2023 Rektor der Universität zu Köln ist, kehrte für die Feier zu seiner langjährigen Wirkungsstätte zurück. Insgesamt acht ehemalige Präsidiumsmitglieder der JLU – darunter Prof. Dr. Heinz Bauer (Präsident der JLU von 1987 bis 1997) – sowie Präsidiumsmitglieder befreundeter Hochschulen waren der Einladung in die Aula gefolgt. „Diese Vielfalt, für die Sie heute einstehen, und das Engagement, das Sie alle für unsere Universität mitbringen, sind sehr inspirierend für mich“, betonte Gastgeberin Prof. Katharina Lorenz, die bereits in den vergangenen dreieinhalb Monaten ein straffes Pensum mit erfolgreicher Arbeit an der Spitze der JLU absolviert hat, nachdem sie zuvor die Universität Gießen seit Oktober 2023 als Erste Vizepräsidentin kommissarisch geleitet hatte.

Ein denkwürdiges Novum:  Erstmals seit 1607, und damit in der traditionsreichen Geschichte der JLU, trug eine Frau als Präsidentin die Amtskette der JLU. Als Klassische Archäologin freute sich Prof. Lorenz darüber, dass Athena, die antike griechische Göttin der Weisheit, die Amtskette aus dem Jahr 1907 schmückt. In ihrer Rede nahm sie auf die fünf Eulen Bezug, die im zentralen Medaillon zu sehen sind. In den Eulen links und rechts zu Athenas Füßen erkannte sie das „Fundament von Wissensproduktion und Wissenssicherung“. „Die JLU ist forschungsstark. Die Eule weist uns hoffnungsvoll in eine Zukunft, in der wir eine feste Größe auf der Exzellenzlandkarte Deutschlands bleiben.“ Hinzu komme die große Fächervielfalt. „Im Bereich von Studium und Lehre tun wir alles dafür, dass die JLU national und international attraktiv bleibt – durch passgenaue, an die sich ändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und an den großen Zukunftsthemen orientierten Studien- und Lehrangebote.“

Die zwei Eulen im Zentrum seien als „Zeichen der Verantwortung der JLU für den Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ zu sehen. Sie deuteten aber auch auf die Rolle der Universität Gießen in der Gesellschaft, in Forschung, Lehre und Transfer hin. Die Universitätsgemeinschaft habe sich unmissverständlich zur Wissenschafts- und Meinungsfreiheit, zum offenen Diskurs und zum Recht auf friedlichen Protest bekannt. „Die beiden Eulen weisen uns in eine Zukunft, in der wir weiter unverrückbar für diese Werte stehe – eine Zukunft, in der die JLU sich weiter transparent nach innen und außen öffnet, in der die JLU aus Gießen in die Welt strahlt und die zugleich die Welt nach Gießen einlädt.“

Schließlich weise die fünfte Eule am Kopf der Athena auf die Menschen hin, die die wichtigste Triebkraft des Erfolgs der JLU seien, sagte Lorenz, und dankte allen herzlich. Die Präsidentin schloss mit einem Blick auf die Rahmenbedingungen: „Die Universität muss sich gerade jetzt weiterhin kontinuierlich verändern, um die Anforderungen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich beantworten zu können. Dazu sind wir bereit.“ Ihr Appell: „Wissen ist in Deutschland unser wichtigster Rohstoff. Es gibt gute Argumente, mutig in die Hochschulen des Landes zu investieren, um das Wohl unserer Gesellschaft zu gewährleisten.“

Übergabe der Vizepräsidentenämter

Im zweiten Teil der Feier stand die Übergabe des Amtes des Vizepräsidenten für Studium und Lehre (VPL) an den Bioinformatiker Prof. Dr. Alexander Goesmann, das zuvor Prof. Lorenz innegehabt hatte, und des Amtes des Vizepräsidenten für Wissenschaftliche Infrastruktur (VPW) an den Sportwissenschaftler Prof. Dr. Karsten Krüger auf dem Programm, der die Zuständigkeit im Präsidium für sein Ressort von Prof. Goesmann übernommen hat.

Prof. Goesmann ließ seine Amtszeit als VPW Revue passieren, in der er zuständig für einen bunten Strauß an Themen war, angefangen bei der IT-Sicherheit mit einer Neuausrichtung des Hochschulrechenzentrums nach dem IT-Sicherheitsvorfall der JLU, einer Weiterentwicklung der IT-Governance und der Einrichtung eines Büros für Digitalisierung bis hin zu Universitätsbibliothek, universitären Sammlungen, Tierschutz und Hochschulsport. Prof. Goesmann bedankte sich bei allen Teams für „ein herausragendes Engagement, ein großartiges Miteinander und eine phantastische Unterstützung“. Er freute sich auf die weitere Zusammenarbeit im Ressort als VPL. „In zahlreichen Gesprächen ist deutlich geworden, wie wichtig allen an der JLU hervorragende Lehre und gute Studienbedingungen sind. In dieser positiven Grundhaltung möchte ich gemeinsam mit Ihnen Studium und Lehre weiter gestalten.“

Der Sportwissenschaftler Prof. Krüger ist es – nicht nur sprichwörtlich – gewohnt, Hürden zu nehmen. Er bedankte sich und kündigte an: „In den kommenden Jahren möchte ich gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die einzelnen Bereiche weiterentwickeln, zukunftssicher machen, dadurch die elf Fachbereiche und Zentren verbinden und gleichzeitig Wissenschaft, Lehre, Transfer und Verwaltung bestmöglich unterstützen.“ Auf die Verankerungen in die Region kommt es ihm, genauso wie seinen Präsidiumskolleginnen und -kollegen, an: „Wir wollen Brücken bauen zur Universitätsstadt Gießen, die ebenso wichtig für die Universität ist wie die Universität für sie.“

Musikalischer Rahmen

Die Feier wurde musikalisch vom Universitätsorchester umrahmt. Einmal mehr stellten die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von UMD Stefan Ottersbach die Vielseitigkeit ihres Repertoires und Könnens unter Beweis. Nach einem Auftakt mit Georg Friedrich Händels Music for the Royal Fireworks“ (Ouvertüre: Adagio – Allegro) und einem Zwischenspiel mit der „Petite Suite“ (Menuett) von Claude Débussy war der musikalische Ausklang Leroy Andersons „The Typewriter“ vorbehalten – fulminant, mit dem Lehramtsstudenten Jacob Brill an der Schreibmaschine, was alle Gäste begeisterte. Eine Überraschung folgte zum Schluss: Als Jacob Brill „You’ll never walk alone“ aus „Carousel“ von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II anstimmte, hielt es niemand mehr auf den Plätzen: Ein vielstimmiger Chor erklang in der Aula. Die feierliche und frohe Stimmung wird hoffentlich noch lange nachklingen.

Weitere Informationen unter https://www.uni-giessen.de/de/org/gremien/praesidium

Text: Markus W. Ebel-Waldmann

VDL-NDS: Steiermark – Studienreise mit Hindernissen

Fotos: August und Manuela Daiber, Hartmut Lüdeke, Gustav Wehner

Mit ca. 1.000 km Entfernung sollte eine Studienreise in die Steiermark eine unproblematische Angelegenheit sein, denn den größten Teil der Entfernung kann man mit dem Zug zurücklegen. Nur vor Ort braucht man dann den Reisebus. Der (Fahr)Plan war also eigentlich ganz unkompliziert: Mit der Bahn von Hannover nach Linz in ca. sechs Stunden, in Linz den Abend an der Donau verbringen und am nächsten Tag weiter mit dem Reisebus in die Steiermark. In der praktischen Umsetzung klappte es nicht ganz, da ein lebensmüder Zeitgenosse die Bahn missbrauchte. Damit war die Hauptstrecke auf Stunden gesperrt. Die Verteilung der vielen Züge auf Nebenstrecken kostete uns viel Zeit durch Streckenüberlastung und Baustellen. Spaß hatten wir trotzdem, so leicht lassen wir uns nicht erschüttern. Wir haben alles geschafft, selbst den rasanten Umstieg im Münchener Hauptbahnhof. Der „entspannte Abend an der Donau“ schrumpfte nach der langen und anstrengenden Zugfahrt allerdings zu einer sehr kurzen Nacht im Hotel.

Auf dem Weg in die Steiermark war am Sonntag der erste Programmpunkt den weltberühmten Lipizzanern der Spanischen Hofreitschule in Wien gewidmet, die auf dem Gestüt Piber in Köflach geboren, aufgezogen und ausgebildet werden. Dort erfreuten wir uns an den eleganten Pferden, die übrigens dunkel geboren werden und erst viel später ihr weißes Fell entwickeln. Wir erhielten eine spannende Gruppenführung von einer Expertin, die all unsere Fragen umfassend beantworten konnte. Auf dem weiteren Weg nach Weiz, wo wir die ganze Woche logierten, konnten wir noch einen Blick in die berühmte Barbarakirche werfen, die von Friedensreich Hundertwasser gestaltet wurde.
Der Montag war ganz dem Ackerbau und der Saatgutwirtschaft in der Steiermark gewidmet. Herr Krenn, Saatguttechniker der Steirersaat eGen mit langjähriger Erfahrung, nahm uns am Flugplatz Unterfladnitz in Empfang, von wo die steirischen Hagelflieger starten. Die südöstliche Steiermark gehört zu den weltweit am stärksten von Hagelstürmen betroffenen Regionen, allein an diesem kleinen Flugplatz sind vier speziell ausgerüstete Hagelflieger stationiert.

Herr Krenn zeigte uns bei einer Feldrundfahrt typische Kulturen der Region und erklärte die Feinheiten der Züchtung, des Anbaus und der Saatgutvermehrung. Auf dem Programm standen unter anderem Acker- und Sojabohnen, Ölkürbis, Sorghumhirse und vor allem Mais, der hier beste Bedingungen für die Saatguterzeugung vorfindet. Abgerundet wurde das Thema mit einem Besuch der Saatgutaufbereitung der Raiffeisen Warengenossenschaft in Lannach, die ihre Produkte sehr erfolgreich europaweit vermarkten kann. Nachmittags besuchten wir die Ölmühle Labugger, um die Produktion des steirischen Kürbiskernöls kennenzulernen. Nach einer eher touristisch orientierten Einführung durch den Eigentümer bekamen wir vom Mitarbeiter, der gerade die Presse bediente, noch sehr interessante vertiefende Informationen zur gesamten Produktion.

Am Dienstag führte uns der Weg höher hinauf in die Berge westlich von Graz. Dort bewirtschaftet die Familie Weißensteiner einen Milchviehbetrieb auf Steillagen, die unserem Busfahrer bei der Anfahrt volle Konzentration und Können abverlangten. Die Familie ist das Wagnis eingegangen, aus dem Nebenerwerb in den Haupterwerb aufzustocken. Dazu musste investiert werden: Ein Boxenlaufstall in Hanglage mit Melkroboter bildet heute die Grundlage für eine erfolgreiche Milcherzeugung mit rund 60 Milchkühen und Nachzucht. Herr Weißensteiner hat jegliche Technik im Griff und hält nicht nur den Melkroboter in allen Lebenslagen zuverlässig am Laufen. Zum Einkommen trägt auch die Ferienwohnung bei; der Urlaub auf dem Bauernhof ist gut gebucht. Von der Geschichte des Hofes bekamen wir einen guten Einblick und waren sehr beeindruckt von der Tatkraft der Familie.

Nach einer Mittagspause im schönen Schloss Stainz besuchten wir den Schilcherland-Genusshof, wo wir eine steirische Besonderheit kennenlernen wollten. Der Schilcher ist ein Roséwein mit ganz eigenem Charakter, der nur in dieser Region produziert wird, die auch „Schilcherland“ genannt wird. Der Junior-Winzer, der in Geisenheim Weinbau studiert, nahm sich viel Zeit für uns und ging ausführlich auf unsere Fragen ein. Nebenbei wurden Wein, Schnaps und eine üppige Brotzeit gereicht und wir konnten auch einen Geschmackseindruck vom Schilcher bekommen.

Am Mittwoch eroberten wir die Riegersburg im östlich von Graz gelegenen Vulkanland. Sie wurde auf einem Basaltkegel errichtet, der sich erfolgreich der Erosion widersetzt hat. Von dort hat man einen grandiosen Blick ins Land – das war für eine frühzeitige „Feindsicht“ überlebenswichtig. Zur Burg gehören innerhalb der Mauern auch drei Hektar Rebfläche an den östlichen Bergflanken, die von der Winzerfamilie Bernhart bewirtschaftet werden. Die Burgweingärten zählen zu den exklusivsten Lagen der Steiermark mit vielen Sonnenstunden. Der vulkanische Boden hält nachts die Wärme und gibt dem Burgwein seinen speziellen Charakter. Bei Familie Bernhart bekamen wir einen Überblick über den Betrieb, die Besonderheiten des Burgweins und einen Rundgang durch den Weinkeller. Anschließend konnten wir bei einem Mittagsimbiss auch Kostproben der edlen Tropfen genießen.

Anschließend ging es zur Essigmanufaktur Gölles, die Ende der 50er Jahre vom Landwirt Alois Gölles gegründet wurde. Er stieg als einer der ersten in der Steiermark in den Apfelanbau ein – heute ist das südoststeirische Vulkanland Österreichs größtes Obstanbaugebiet. Alois Gölles junior übernahm und baute den Betrieb weiter aus, spezialisierte sich auf feine Essige und Edelbrände. 1984 entwickelte er ein Verfahren, nach italienischem Vorbild Apfel-Balsamessig herzustellen. Dazu wird der Most von steirischen Apfelsorten eingekocht, vergoren und mehrere Jahre in Eichenfässern gereift. Wir hatten uns schon etwas schlau gelesen und hegten große Erwartungen, in diesem Betrieb hinter die Kulissen blicken zu können. Leider wurden wir enttäuscht, denn anstelle der Betriebsgeschichte bekamen wir eine professionelle Verkaufsschau geboten. Unsere Führerin gab sich zwar viel Mühe, konnte aber unsere Fragen nur ansatzweise beantworten, denn sie war selbst erst seit wenigen Wochen dort tätig. Allerdings haben auch wir die in uns gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, denn als Bahnreisende haben wir natürlich nicht den gewünschten Umsatz generiert.

Die bessere Entscheidung trafen drei Damen aus der Gruppe, die sich in die ganz in der Nähe gelegene Schokoladenmanufaktur Zotter absetzten. Schokolade vom Feinsten – mit den entsprechenden Preisen – wurde ad libitum während der Betriebsführung zum Probieren bereitgestellt. Da waren selbst die drei Naschkatzen am Ende leicht überfordert.

Der Donnerstag war für Graz vorgesehen, die Landeshauptstadt der Steiermark. Eine mehrstündige Führung versorgte uns mit allen wesentlichen Informationen zur Geschichte und zur aktuellen Lage der Stadt und brachte uns zu allen Orten, die man gesehen und von denen man den Ausblick genossen haben muss. Am Nachmittag besuchten wir die Landwirtschaftskammer Steiermark, wo uns ein Überblick über die Landwirtschaft der Region und die Aufgaben der Kammer geboten wurde. Ähnlichkeiten mit und Unterschiede zu unserer niedersächsischen Landwirtschaftskammer konnten wir mit den steirischen Kollegen diskutieren und uns über Märkte, Direktvermarktung und Agrarförderung in der Steiermark und anderswo austauschen.

Der Freitag begann mit einer Besichtigung der gleich neben dem Hotel liegenden Basilika von Weiz. Unsere freundliche Kirchenführerin begleitete uns dabei mit viel Leidenschaft von der Kirchentür bis vor zum Hochaltar. Zu sehen waren neben vielen Kunstobjekten die Orgel, wunderschöne Deckenfresken und ein Rosenkranzaltar. Die Basilika zählt zu den schönsten spätbarocken Kirchen der Steiermark. Anschließend wurden wir vom Obstbauern Josef Wilhelm abgeholt, der uns zunächst im Bus durch das Steirische Apfelland führte, das im Vulkanland die obstbauliche Schwerpunktregion bildet. Die Landwirtschaft speziell hier in der Oststeiermark ist klein strukturiert; das sind Betriebe mit maximal 15 ha Obstbaufläche. Wenn man hier von Obstbau spricht, ist in der Regel der Apfel gemeint.

Der Obstbaubetrieb Wilhelm liegt geologisch auf der „Oststeirischen Platte“. Eine Apfelsorte, die bestens in dieser südlichen Hanglage auf dem Sandboden gedeiht, ist der „Kronprinz Rudolf“. Der Betrieb umfasst ca. 30 ha Grundfläche, davon ca. 10 ha Obstbau mit Brennerei. Für die Brennerei ist dabei die Williams Birne die Hauptfrucht. Dann gehören noch 8 ha Forst und 10 ha verpachtete Fläche dazu. 2003 konnte Wilhelm Richtung Osten auf der ungarischen Seite des Eisenbergs einen Weingarten erwerben und damit sein Sortiment erweitern. Der Betrieb arbeitet konventionell auf hohem Standard und vermarktet sein Obst direkt an Stammkunden und an den Einzelhandel. Ein erheblicher Teil der Ernte wird zu verschiedenen Edelbränden sowie Most und Saft verarbeitet und im Hofladen sowie im Online-Shop verkauft.

Eine Herausforderung, die die Obstbauern hier umtreibt, ist die Klimaerwärmung. Es gibt kaum noch richtige Winter, aber nach wie vor Spätfröste. Damit beginnt die Vegetation schon im April, während bis in den Mai hinein noch Spätfröste auftreten können. Betriebe ohne Frostberegnung verzeichnen deshalb große Verluste. Die Marillen in der Steiermark sind dieses Jahr alle erfroren. Der Betrieb Wilhelm ist auch von Spätfrösten betroffen und arbeitet deshalb mit Frostberegnung als sog. „Überkronenberegnung“, die gleichzeitig als Bewässerung dient. Dieses System sichert dem Betrieb den Ertrag. Ein weiteres Element sind die Hagelschutznetze, die das Landschaftsbild im Steirischen Apfelland prägen, denn auch Extremwetterereignisse mit Hagelschlag häufen sich hier im Klimawandel.

Nach einigen Kostproben aus dem reichhaltigen Sortiment der Wilhelms steuerten wir unser letztes Reiseziel an, das „Haus des Apfels“, das ebenfalls in Puch/Weiz liegt. Das Apfelmuseum erzählt anhand vieler Exponate die Mythologie und Geschichte des Apfels und erklärt den Apfelanbau mit Baumschnitt, Veredlungsformen, Pflanzenschutz, Hagelabwehr, Ernte und Verarbeitung.

Beim Rundgang stößt der Besucher an der ein oder anderen Stelle auf die geheimnisvollen „Apfelmänner“, eine Art Geheimbund mit dem Ziel, „die höchste Vergeistigung des Apfels“ zu erreichen. Niemals solle es einen besseren Apfelschnaps als den mystischen Abakus geben. Der Abakus soll dabei nicht in Konkurrenz zu den anderen Brennereien stehen (www.abakus-puch.at).Von jedem Jahrgang werden 1444 Flaschen gefüllt.

Am Abend kam es spontan noch zu einem letzten interessanten Programmpunkt: Der Hotelbesitzer zeigte uns sein genossenschaftlich organisiertes Holzheizwerk, das auch der Nahwärmeversorgung der Schule und umliegender Häuser dient.

Die Heimfahrt gestaltete sich ähnlich anspruchsvoll wie die Anreise, allerdings ohne den anstrengenden Umstieg in München, ohne Notarzteinsatz an der Strecke und ohne weiträumige Umleitungen, so dass als letzte Reisende auch die Oldenburger schließlich mit „nur“ zwei Stunden Verspätung zuhause ankamen. Insgesamt war es eine interessante Reise mit vielen Highlights (und auch kleinen Enttäuschungen) in das „Genussland Steiermark“.

Text: VDL Niedersachsen, Teilnehmende der Studienreise

2. Grüne Runde 2024 des VDL-Landesverband NRW
am 7. Juni 2024 bei Königs Pflanzenenergie

Vom Pferdemist zur Tankstelle

An einem schönen sonnigen Freitagnachmittag besuchten wir mit dem VDL-Landesverband NRW den Betrieb von Daniel Königs, Betriebs- und Unternehmensleiter der Königs Pflanzenenergie GmbH und Co.KG.. Der Betrieb, 5 km vor Neuss gelegen, umfasst eine Biogasanlage mit einer Biomethanaufbereitungsanlage am Hof mit direkter Vermarktung des Biokraftstoffes über eine eigene CNG (compressed natural gas)-Tankstelle. Der Clou daran: Dabei wird das vertankte Biomethan zu 75 % aus Pferdemist aus der Region produziert, wodurch Mais bei der Gasherstellung nur eine nebensächliche Rolle spielt.

 

 

 

 

 

 

 

Zu Beginn wurden den Teilnehmenden die Grundlagen der Biomethanproduktion über ein Schaubild vertraut gemacht. Bei dem Prozess wird zunächst aus tierischen Exkrementen und landwirtschaftlicher Biomasse wie Mais unter sauerstofffreiem Milieu Biogas erzeugt, ein Gemisch aus Biomethan (CH4), CO2 und weiteren gasförmigen Verbindungen, die bei der Biomethanaufbereitung vom Biomethan segregiert werden und somit reines Biomethan entsteht. Biomethan hat einen erheblichen Anteil daran, den Verkehrssektor durch klimapositiven Kraftstoff zu dekarbonisieren und die bioökonomischen und betrieblichen Stoffkreisläufe zu schließen. Die Biogasanlage ging 2006, ursprünglich zur Wärme und Stromproduktion, ans Netz. Durch das Auslaufen der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) nach 20 Jahren musste Daniel Königs auf andere Betriebszweige bauen, da die Weiterführung der EEG-Subvention politisch immer noch nicht geklärt ist und heiß diskutiert wird. So nahm er sich damals einen Zirkel und schaute, wie die betrieblichen Strukturen im Umkreis von 50 Km sind. Ursprünglich war die Region geprägt von Rinderbetrieben, die jedoch in den letzten Jahrzehnten nach und nach geschlossen wurden und sich aufbauend auf dieser Struktur zahlreiche Pferdebetriebe etabliert haben. Der dabei entstehende Pferdemist hat verglichen mit anderen tierischen Exkrementen einen hohen Energiegehalt und eignet sich hervorragend zur Biogasproduktion. So wurde 2021 die Biogasanlage auf die Fütterung von Pferdemist umgestellt und die logistischen Strukturen aufgebaut. Die angeschlossene CNG-Tankstelle wurde an einer strategisch lukrativen Stelle, an einer viel befahrenen Landstraße, positioniert, welche von lokalansässigen Logistikunternehmen genutzt wird, wodurch der Absatzverkauf des Biomethans sichergestellt ist. Am Tag tanken ca. 30 LKWs und 40 PKWs für 1,229€ pro kg Biomethan, was umgerechnet 0,819€ pro Liter Benzin sind.

Auch wenn das Pilotkonzept der Königs Pflanzenenergie GmbH &Co. KG einzigartig in Deutschland ist und starkes Potential zur Weiterentwicklung hat, stößt Daniel Königs auf hohe politische und wirtschaftliche Hürden. Besonders große Sorgen bereitet ihm die Entwicklung in China. So wurden dort Klimaschutzprojekte vom Umweltbundesamt genehmigt und von einer anerkannten Zertifizierungsstelle verifiziert, die sich im Nachhinein als „Fake“ herausgestellt haben. Was dies mit der Biomethananlage in Neuss zu tun hat? Daniel Königs muss mit jeder Charge Biomethan, die er produziert, eine Treibhausgasminderungspflicht von 50 % gegenüber dem fossilen Komparator nachweisen. Diese Quote kann nachher auf dem sog. THG (Treibhausgas)-Quotenmarkt verkauft werden. Dabei ist jedes eingesparte Prozent wahres Geld wert. So lag der Preis pro eingesparte Tonne CO2 Anfang 2023 bei 420 €. Innerhalb von einem Jahr ist dieser Quotenpreis auf ca. 100 € eingebrochen, was ein Schaden in Milliarden Höhe in der Branche bedeutet. Woran liegt dieser Preisabsturz? Die angeblichen Klimaschutzprojekte in China und die damit mutmaßlichen THG-Einsparungen haben im letzten Jahr den europäischen THG-Quotenmarkt überflutet und somit zu einer schlagartigen Erhöhung des Angebots geführt, was diesen drastischen Absturz verursacht hat. Ob dieser Schaden letztendlich von der Politik repariert wird, bezweifelt man in der Branche.

 

Im Anschluss wurde bei einem Kaltgetränk auf dem Hof von Daniel Königs redlich über die angespannte Lage in der Landwirtschaft diskutiert und die Exkursion abgeschlossen. Der VDL-Landesverband NRW, bedankt sich ganz herzlich bei Daniel Königs für die Gastfreundschaft und für neue, spannende Einblicke in die Biomethanbranche.

 

Text: Jan Kniepkamp, Bildquellen: Christina Nacke, Jan Kniepkamp