Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft – Hintergrundgespräch mit niedersächsischer Agrarministerin

Veränderungsdruck auf die Landwirtschaft ist schon seit Jahren gegeben und nimmt mit fortschreitendem Klimawandel, aber auch aufgrund gesellschaftlicher Forderungen immer mehr zu. Gerade in Niedersachsen – auch als „Agrarland Nr. 1“ bekannt – sehen die zum Teil sehr intensiv wirtschaftenden Landwirte mit Sorge in die Zukunft. Dünge-Verordnung, „Borchert-Plan“, Insektenschutz und gravierende Einschränkungen beim chemischen Pflanzenschutz sind nur einige der brennenden Themen.

Die niedersächsische CDU-Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast hat in parteiübergreifender Zusammenarbeit mit dem Umweltminister Olaf Lies (SPD) sowie der Landwirtschaftskammer, dem Landvolk Niedersachsen, dem NABU Niedersachsen und dem BUND Niedersachsen den „Niedersächsischen Weg“ ins Leben gerufen. Mit dieser Initiative und weiteren politischen Instrumenten sollen die Probleme in einer gemeinsamen Anstrengung angegangen werden. Dazu organisierten die Agrarjournalisten vom VDAJ Niedersachsen/Sachsen-Anhalt am 24. Juni 2021 ein Hintergrundgespräch mit Barbara Otte-Kinast, zu dem wir als VDL-Mitglieder eingeladen waren.

Zunächst gab die Ministerin einen Überblick über aktuelle Vorhaben aus ihrem Ministerium und lobte die gemeinsam mit den Verbänden erzielte Einigung auf den „Niedersächsischen Weg“, wobei sie auch das anspruchsvolle Abstimmungsprocedere der Beteiligten würdigte. Am Beispiel des Insektenschutzes gab sie einen kleinen Einblick in die internen Abstimmungswege zwischen den beteiligten Landesministerien einerseits und der Aushandlung unterschiedlicher Interessenlagen zwischen den Bundesländern andererseits. Daneben wurde auch erkennbar, wie aus Niedersachsen sowohl der Umweltminister als auch die Landwirtschaftsministerin sich im Bundesrat für die hiesige Landwirtschaft einsetzen. In anderen Bundesländern haben es die Landwirtschaftsminister in einigen Fällen wesentlich schwerer, da der Umweltminister oft ganz andere Ziele verfolgt.

Im Bereich der Tierhaltung wurde über die Notwendigkeit gesprochen, die räumliche Verdichtung der Tierhaltung im Blick zu behalten, schon um die Auswirkungen von schwer zu vermeidenden Seuchenzügen zu begrenzen. Soweit vor dem Hintergrund der Umsetzung des Konzepts der Borchert-Kommission Reduktionen der Tierzahlen landwirtschaftlicher Betriebe die Folge sind, ist es das Ziel, die Wertschöpfung im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung insgesamt zu erhöhen, um den Strukturwandel in der Nutztierhaltung nicht weiter zu beschleunigen und einem Strukturbruch entgegenzuwirken.

Im Ministerium ist man sich bewusst, dass die Anwendung der Dünge-Verordnung und die steigenden Anforderungen an das Tierwohl den Strukturwandel in der Tierhaltung vorantreiben werden. Die Ministerin sieht in der Regionalisierung der Tierproduktion eine Möglichkeit, das Tierwohl und die Wirtschaftlichkeit gleichermaßen zu befördern. Dazu sollte auch die Zahl der Schlachtbetriebe, vor allem der kleineren, erhalten und als neue Möglichkeit die Weideschlachtung behördlicherseits ermöglicht werden. Auch der Handel soll mehr in die Pflicht genommen werden, den Verkauf von regionalen Produkten nicht nur auf den Plakaten zu haben, sondern auch spürbar umzusetzen.

Auch im Ackerbau tut sich etwas, das Ministerium hat auf Burg Warberg das am 17. Juni 2021 von Ministerin Otte-Kinast eingeweihte Ackerbauzentrum Niedersachsen eingerichtet. Das Ackerbauzentrum soll als zentrale Anlauf- und Vernetzungsstelle aktuelle Themen gebündelt und mit Netzwerkpartnern für ganz Niedersachsen aufarbeiten und ökologisch nachhaltigere und zugleich ökonomisch tragfähige Produktionsverfahren entwickeln. Beispiel Eiweißpflanzenanbau: Hier ist festzustellen, dass große in Niedersachsen ansässige Fleischverarbeiter durch die verstärkte Entwicklung veganer Produkte die Nachfrage nach Eiweißpflanzen erhöhen. Diese Entwicklung ist auch aus Gründen der Biodiversität durchaus zu begrüßen.

Es wurden dann weitere Reizthemen, wie die Fortentwicklung der Kenntnisse über Lebensmittel beim Verbraucher, die TA Luft, die Wiedervernässung von Mooren und das hochbrisante Thema Wolf angesprochen. Einige Regelungen auf bundes- und europapolitischer Ebene haben noch handwerkliche Fehler und müssen über den Bundesrat erheblich nachgebessert werden.

Bei diesem sehr offenen und von gegenseitigem Vertrauen getragenen Gespräch gab die Ministerin detailliert Auskunft und zeigte, dass sie in allen Sachthemen souverän unterwegs ist. Ob Wolf oder Ackerbau, Weideschlachtung oder Tierseuchen, es blieb kaum ein Thema unbesetzt. Besonders beeindruckte das Systemverständnis der Ministerin, die all diese komplexen Fragestellungen in einen größeren Zusammenhang stellt und dabei vor parteipolitischen „Weidezäunen“ nicht haltmacht.

Das Gespräch mit Barbara Otte-Kinast war sehr informativ für jeden Berufskollegen und es wurde der Wunsch geäußert, bei passender Gelegenheit wieder zu einem Hintergrundgespräch zusammenzukommen. Dieses wurde von der Ministerin auch in Aussicht gestellt, da sie die Arbeit der Agrarjournalisten als sehr wertvoll einschätzt.

Geschätzt und gern wahrgenommen werden die Veranstaltungen des VDAJ auch von den VDL-Mitgliedern in Niedersachsen – wir freuen uns über die Aussicht auf eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit und die Organisation gemeinsamer Veranstaltungen in nächster Zukunft.

Gustav Wehner

Immer Menschen getroffen, die mir den Weg gewiesen haben

„Man muss die Kraft haben, auch in schwierigen Zeiten seinen Weg zu gehen“. Dieses Zitat von Prof. Dr. Anton Mangstl beschreibt wohl am besten das Erfolgsrezept seines beruflichen Lebensweges, den er den Teilnehmern der Online-Vortragsveranstaltung der VDL-Landesgruppe Bayern am 14. Juni 2021 in sehr unterhaltsamer Weise schilderte. Als Landwirtssohn, der nach eigener humorvoller Aussage „keine Hände für die praktische Arbeit“ hatte, erkannte er schon früh den Wert der Fort- und Weiterbildung. Er hat Landwirtschaft gelernt und zunächst an der Ingenieurschule für Landbau in Landshut-Schönbrunn, später dann an der Technischen Universität München in Weihenstephan Agrarwissenschaften mit der Fachrichtung Pflanzenproduktion studiert. Nach Diplom und Promotion arbeitete er über ein Jahrzehnt als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschung und Lehre an einer großen Zahl innovativer Projekte. Die erste Station außerhalb der Universität führte ihn 1989 nach Bonn als Direktor der Zentralstelle für Agrardokumentation und -information (ZADI). 1996 erreichte ihn ein Ruf aus Rom als Abteilungsdirektor bei der Welternährungsorganisation (FAO), wo er für die Bereiche Informations- und Wissensmanagement, e-learning und Capacity building zuständig war. 2011 nahm Mangstl den Ruf als Vizepräsident und Professor an der German-Jordanian University in Amman an, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb.

Über das rein Fachliche seines Berufslebens hinaus vermittelte Mangstl den Zuhörern eine Vielzahl von Lebensweisheiten und gab insbesondere den jüngeren Teilnehmern viele wertvolle Tipps für ihren weiteren Berufsweg. Dabei klang einiges zunächst ungewohnt, wie z.B. die Aussage, dass er von Glück sagen konnte, dass seine Bewerbungen nicht immer erfolgreich waren. Das daraufhin entstehende Fragezeichen in den Köpfen der Zuhörer löste er sogleich auf mit der Erklärung, dass er sonst nicht in die Welt gekommen wäre. Andere Menschen zu treffen verband er mit der Erfahrung, Ideen und Impulse zu bekommen, auf die er selbst nicht gekommen wäre. Überhaupt habe er viele Menschen getroffen, die ihn den Weg gewiesen haben. Es spricht für den Referenten, dass er, dessen erfolgreiches Berufsleben beispielgebend ist, sich immer auch des positiven Einflusses günstiger Umstände und anderer Menschen bewusst war und ist. Vermutlich ist es dieses Bewusstsein und die Erfahrung aus vielen Stellenausschreibungen und Einstellungsgesprächen im Rahmen seiner leitenden Tätigkeiten, aus denen er die Empfehlung an die jungen Kolleginnen und Kollegen ableitete, immer wieder andere Leute anzusprechen, um mehr Informationen zu bekommen und sich selbst anzubieten. Es ist aber auch die selten anzutreffende Gabe, immer über den berühmten Tellerrand hinaus zu denken und auch in dem, was das Gros der Menschen als „nicht machbar“ oder „zu belastend“ bezeichnet, Chancen und Möglichkeiten zu erkennen und dann zielstrebig seinen Weg zu gehen. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrung, dass viele Menschen eher träge sind und an Gewohntem festhalten, bezeichnete er es als Glück, es immer geschafft zu haben, einen Kern von Menschen um sich zu sammeln, die begeisterungsfähig waren und an der Realisierung seiner Ideen mitarbeiteten. So verwundert es nicht, dass er als Pionier der Agrarinformatik seiner Zeit immer ein Stückchen voraus war. Dabei blieb er immer Realist, der zwischen Wunsch und Wirklichkeit unterscheiden konnte. So erklärt sich auch seine Empfehlung an den agrarischen Fachkräftenachwuchs, nicht zu scheuen, sich zu bewerben, auch wenn nicht alle ausgeschriebenen Anforderungen erfüllt werden. Vorausgesetzt, man kann überzeugend darlegen, dass man den Anforderungen der Stelle gewachsen ist.

Mit einem Foto vom Sternenhimmel im UNESCO Weltkulturerbe-Tal „Wadi Rum“, das zusammen mit der Felsenstadt Petra zu den beeindruckenden Sehenswürdigkeiten in Jordanien zählt, setzte Prof. Mangstl einen sehr passenden emotionalen Schlusspunkt unter seinen sehr persönlich gehaltenen Vortrag.