Frauen in Führungspositionen: EU-weite Studie offenbart massive Hürden
Mehr Frauen müssen Führungspositionen erreichen: Für dieses Ziel setzen sich Europas Führungskräfte seit vielen Jahren ein. Nicht nur aus Gründen der gesellschaftspolitischen Fairness, sondern angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels auch aus wirtschaftspolitischer Notwendigkeit. Diesem Thema widmete sich Ende Juni eine CEC-Konferenz im französischen Cannes.
Seit 2013 führt der Dachverband der europäischen Führungskräfte „CEC – European Managers“ ein aus EU-Mitteln finanziertes Forschungsprojekt zu Frauen in Führungspositionen durch.
Das Projekt hat zwei Ziele. Zum einen sollen die in den letzten Jahren von Politik und Wirtschaft unternommenen Anstrengungen dokumentiert und die erzielten Effekte in bestimmten europäischen Staaten messbar gemacht werden. Zum anderen sollen mithilfe von Interviews und Untersuchungen in ausgewählten Unternehmen vorbildliche Best-Practice-Beispiele identifiziert werden.
Die zweitägige CEC-Konferenz an der Côte d’Azur lieferte den passenden Rahmen für eine erste Bilanz und einen Austausch im Kreise der Projektpartner, zu denen auch die zum Europäischen Gewerkschaftsbund zählende Organisation Eurocadres sowie die CEC-Mitgliedsverbände aus Schweden und Frankreich zählen.
Zum Auftakt präsentierten die beiden verantwortlichen Forscherinnen Professor Linda Senden von der Universität Utrecht und Mirella Visser vom Center for Inclusive Leadership empirische Fakten über die zahlenmäßige Entwicklung beim Anteil von Frauen in Führungspositionen in sieben europäischen Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Schweden, Großbritannien und Norwegen. Grundlage der Daten sind international verbindliche Klassifikationen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sowie Arbeitsmarktstudien der EU-Statistikbehörde Eurostat. Trotz einiger unvermeidlicher Lücken lassen diese Daten wissenschaftlich belastbare Trendaussagen zu.
Aktuell liegen unter den sieben untersuchten Staaten Polen (38 Prozent) und Frankreich (36 Prozent) an der Spitze. Mit 29 Prozent liegt Deutschland an sechster Stelle und damit noch immer unterhalb des Durchschnitts aller 28 EU-Staaten (32 Prozent).
Wenig schmeichelhaft für nahezu alle EU-Mitgliedstaaten ist der seit 2003 nur sehr marginale Aufwärtstrend, legt man eine weit gefasste Definition des Begriffs Führungskraft zugrunde, die bis ins mittlere Management hinein reicht. Offenbar haben die intensiven politischen Bemühungen in Fragen der Gleichstellung der Geschlechter lediglich einen geringen Effekt gehabt. Dies gilt sogar für die Altersgruppe der 25- bis 49-Jährigen – also für den Lebensabschnitt, in dem typischerweise die Weichenstellungen für eine Karriere getroffen werden.
Stärker fällt der Aufwärtstrend hingegen beim Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsgremien aus: Vor allem in Staaten wie Norwegen oder Italien, die ihren Unternehmen harte gesetzliche Quoten verordneten, ergaben sich schnell wirksame Effekte.
Aus politischer Sicht haben die Forscherinnen verbindlich einzuhaltende Quoten dennoch nicht als Königsweg zum Ziel eines besseren Zugangs für Frauen zu Entscheidungspositionen interpretiert. Denn die bisherigen Ergebnisse deuten nämlich nicht darauf hin, dass eine isolierte Quote für Vorstände und Aufsichtsräte einen direkten Effekt auf darunter liegende Führungsebenen hat. Der sogenannte Trickle-down-Effekt beziehungsweise die erhoffte Signalwirkung einer Quote für die oberste Unternehmensebene bleibt in den untersuchten Fällen jedenfalls aus.
Als nicht minder erfolgversprechend erweist sich daher ein alternativer Ansatz, der mit zahlenmäßig guten Effekten von Staaten wie zum Beispiel Schweden praktiziert wird. Dort wird der Selbstregulierung der Vorrang eingeräumt. Allerdings werden unter diesem weichen Steuerungsansatz auch solche Modelle verstanden, die eine „Pflicht zur Selbstverpflichtung“ und Sanktionen für den Fall vorsehen, dass die selbstgesetzten Ziele nicht erreicht werden.
Vorsprung durch Gleichberechtigung
Eine wichtige Rolle spielt den Studienergebnissen zufolge auch die jeweilige Ausrichtung der Steuer- und Familienpolitik: So verschaffen sich Staaten wie Schweden mit Modellen, die sehr stark auf eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben setzen, nach Ansicht der Forscherinnen gegenüber Staaten mit bislang „konservativer“ ausgerichteter Steuer- und Familienpolitik einen deutlichen Vorsprung.
Im Lichte dieser Befunde ist auch für Deutschland in absehbarer Zeit ein beschleunigter Aufwärtstrend zu erwarten. Mit der Einführung des demnächst zur Reform anstehenden Elterngelds hat sich die Bundesregierung jedenfalls auf die Spuren Schwedens begeben. In der Frage der Quote wird das härtere, norwegische Modell vorgezogen.
Auf der Website www.womeninmanagement.eu wird das CEC-Projekt vorgestellt. Fortlaufend werden dort in den nächsten Monaten die Zwischenergebnisse sowie die Dokumentation der Konferenz in Cannes veröffentlicht.
Quelle: Newsletter ULA kurz und bündig, Ausgabe 5/2014